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18. Barbarafeier unseres Vereins und des Traditionsvereins Bergschule e.V.
am 5. Dezember 2010

von Gudrun Riedel 2010



2. Haldenbesteigung am Fortschrittschacht
von Gudrun Riedel
2012



Aufbau, Übergabe und Einweihung
des Denkmals "Krughütte" 2010 / 2011 - für mehr Informationen zum Denkmal siehe
[007] Denkmal "Krughütte" in Wimmelburg



Eine wahre Geschichte zum Weihnachtsfest
von Dr. Rudolf Mirsch
2009


 

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Vorwort:
Aus der Geschichte der Eisleber Bergschule von 1798 – 1928 können wir entnehmen, dass unter der Matrikel-Nr.168 und 169 des Jahres 1829 zwei später sehr erfolgreiche Bergbeamte ihr Studium absolvierten – Johann Gottlieb Röhrig und Krug von Nidda. Die Bergschüler waren damals angehalten über ihre Studienzeit Tagebuch zu führen, die heute noch zum Teil im Museum der Bergschule aufbewahrt werden. Die grundlegenden Informationen der nachfolgenden Geschichte von Dr. Rudolf Mirsch aus den Weihnachtstagen des Jahres 1829, entstammen dem Tagebuch des Bergschülers Johann Gottlieb Röhrig.


Heute ist der 24. Dezember des Jahres 1829, Heiligabend. Wie lange habe ich diesen Tag herbeige­sehnt! Mein letzter kurzer Besuch bei der Mutter in Wettelrode ist schon mehr als vier Wochen her. Inzwischen ist der Winter immer deutlicher mit Kälte und Schnee ins Land gezogen. Die sonntäglichen Gottesdienste haben bereits eine weihnachtliche Stimmung verbreitet. Die Sehnsucht, bald wieder im Heimatort, bei der Mutter und den alten Freunden zu sein, ist von Tag zu Tag stärker geworden.

Die Unterrichtsstunden heute verlangen aber noch einmal meine volle Aufmerksamkeit. Dann endlich wünscht uns der Schichtmeister, unser Lehrer Herr Plümicke, ein gesegnetes Weihnachtsfest und gesunde Feiertage und gibt damit gleichzeitig die Erlaubnis, eine Woche nach Hause reisen zu dürfen.
Um 14 Uhr verlasse ich mit meinem neuen Schulfreund aus Sangerhausen, Otto Krug von Nidda, die Schulstadt Eisleben. Otto ist zwei Jahre jünger als ich und noch nicht lange in unserer Klasse. Er hat die Landesschule in Pforta besucht und konnte wegen seiner guten Vorbildung gleich in die Oberstufe aufgenommen werden. Wir stellten bald fest, dass wir uns gut ergänzten. Manche Stunde der Unterrichtsvorbereitung verbrachten wir nun zusammen. Meine Stärken liegen in der Praxis, seine in der Theorie.
Wir haben einen langen, gemeinsamen Fußmarsch vor uns und viel Zeit, auch über persönliche Dinge zu sprechen. Die letzten Häuser von Eisleben liegen bald hinter uns. Zuerst tauschen wir noch unsere Gedanken aus über die Aufgabe, die wir bereits gestern am 23. Dezember bekommen haben. In den Weihnachtsferien sollen wir eine Disposition zur Beschreibung des neuen Heinrich-Schachtes in den vereinigten Mohrunger und Kuhberger Revieren erarbeiten und vorlegen. Unsere Lehrer sind streng und verlangen viel von uns. Aber ich bin froh, dass ich überhaupt an der Bergschule lernen kann.
Es ist eine besondere Stimmung um uns herum, die Dämmerung bricht langsam herein, es ist ruhig auf der Straße, wir sind voller Vorfreude auf den Weihnachtsabend. Ich kann jetzt auch ein wenig mehr über meine Familie und mich erzählen.
Otto weiß bereits, dass mein Vater nicht mehr lebt. Ich erzähle ihm nun, dass am 2. Oktober 1819 meiner Mutter die traurige Nachricht überbracht wurde, dass mein Vater auf dem Alexanderschacht verunglückt sei und nie mehr heimkommen wird. Wie sollten wir ohne den Vater leben? Die Not war überall zu spüren. Ich war ja noch ein Schulkind und besuchte die Dorfschule in Wettelrode. Um die Armut zu lindern, fuhr ich als 16-Jähriger als Bergjunge in die Grube ein und erlernte den Beruf eines Bergmanns. Meine Mutter und ich sind sehr dankbar dafür, dass uns die Sangerhäuser Gewerkschaft nicht vergessen hat. Sie zahlt wöchentlich 15 Groschen, womit die Voraussetzung erfüllt ist, dass ich die Bergschule in Eisleben besuchen kann.
Ich möchte niemanden enttäuschen und alle Aufgaben zuverlässig und in guter Qualität erfüllen. Ob mein Freund versteht, was es mir bedeutet, hier lernen zu können?
Es wird langsam dunkel auf der Straße. Auf unserem Weg durch Blankenheim sehen wir milden Ker­zenschein hinter den Fenstern flackern, und jeder von uns hängt seinen eigenen Gedanken nach. Ich sehe schon zu Hause die Mutter vor mir, wie sie geschäftig meinen Besuch vorbereitet. Ich glaube, sie ist sehr stolz darauf, dass ich ein guter und strebsamer Schüler bin und nicht nur das Vertrauen der Betriebsbeamten der Reviere bei Wettelrode rechtfertige, die mich etwa vor Jahresfrist zum Schulbesuch ermunterten. In den zurückliegenden Monaten absolvierte ich in den Eisleber Revieren mit Fleiß und bergmännischem Geschick die Arbeitsschichten und erreichte auch gute Leistungen in der Schule.
Auf unserem Weg kommen wir auch auf das Examen zu sprechen, das am 6. November an der Bergschule von den Bergschülern abgelegt werden musste, um von der zweiten in die erste Klasse versetzt zu werden. Was waren wir aufgeregt! Unsere Lehrer stellen sehr hohe Forderungen und ahnden kleinste Fehler und Nachlässigkeiten.
Musste ich doch erst drei Tage zuvor, am 3. November, eine Probearbeit noch einmal abschreiben, weil sie meinem Schichtmeister Herrn Plümicke nicht gut genug war. Ärgerlich war ich vor allem auch darüber, dass ich deswegen eine Schicht nicht anfahren konnte und so auch ein Schichtlohn ausgefallen ist.
Wegen der Prüfung war ich zwar zuversichtlich, aber wer ist schon völlig sicher? Alle Zweifel und Sor­gen waren vorbei, als mir bereits drei Tage nach dem Examen Herr Obersteiger Eisentraut mitteilte, dass ich das Examen bestanden hatte und nun in der ersten Klasse weiter lernen durfte
.

Otto erzählt mir auch von seiner Schulzeit an der Landesschule Pforta bei Naumburg. Ich erfahre von ihm, dass das eine bekannte große Internatsschule ist, deren Tradition bereits bis in das 16. Jahrhun­dert zurückreicht. In der ehemaligen Klosteranlage der Zisterzienser aus dem 12. Jahrhundert werden begabte Knaben auf ein Universitätsstudium vorbereitet, und die Anforderungen sind auch entspre­chend hoch. Nun lernt Otto also hier an unserer Bergschule, die auch einen guten Ruf hat. Ich mache mir so meine Gedanken, frage ihn aber nicht weiter nach seinen Beweggründen.
Nun ist es inzwischen ganz dunkel geworden. Wir schreiten zügig vorwärts. Emseloh liegt bereits hin­ter uns, und wir kommen bald nach Riestedt. Hier trennen sich unsere Wege. Otto will weiter nach Sangerhausen, ich werde die Abkürzung über Gonna nach Wettelrode laufen. Der Abschied ist kurz, wir möchten nun schnell zu Hause sein. Jeder freut sich auf seine Familie, eine warme Stube und ein gutes Essen. Wir verabschieden uns mit einem festen Händedruck und guten Wünschen für den Heimweg und die kommenden Tage.
Nach kurzer Zeit verklingen die Schritte des Schulkameraden, ich bin allein.
Es ist dunkel, aber mir ist nicht bange, bin ich doch erst vor kurzem diesen Weg gegangen. Ich versuche, mich so genau wie möglich daran zu erinnern. Und so führen mich meine Gedanken zurück zu den Geschehnissen der vergangenen Wochen.
Es war nach dem Lohntag am 14. November, als ich den Weg zum letzten Mal ging, denn die Lehrer und die Grubenofficianten hatten mir die Genehmigung erteilt, meine Angehörigen in Wettelrode zu besuchen. Der Urlaub wurde gegeben, weil nach dem Examen einige Tage kein Unterricht stattgefunden hatte. Ich weiß noch sehr genau, wie viel Geld ich in den fünf Wochen der ersten Lohnung des Quartals Luciae ausgezahlt bekommen habe. Für die 27 verfahrenen Arbeitsschichten wurden mir bei einem Schichtlohn von 7 Silbergroschen und 9 Pfennigen insgesamt 6 Reichsthaler, 29 Silbergroschen und 3 Pfennige ausgezahlt.
Die Zeit im heimatlichen Dorf war schön, auch wenn ich eigentlich nur einen Tag Urlaub hatte. Meine Vorgesetzten in Eisleben hatten mir umfangreiche Aufträge erteilt, die ich von hier aus erfüllen sollte. So war ich bereits am nächsten Tag auf der Kupferhütte in Sangerhausen und anschließend beim Faktor Falke in Grillenberg. Mit Fahrsteiger Brathuhn befuhr ich einige Schächte in der Umgebung. Sehr interessant war auch für mich der Besuch des Pochwerkes, wo man mit dem Wasserabführungsgraben und dem Bau des Gebäudes begonnen hatte. Ich war damals sehr froh, dass ich alle Aufträge zur Zufriedenheit erfüllen konnte.
Ich konzentriere mich wieder voll auf meinen Weg. Leider ist heute keine klare Winternacht, aber ich bin sicher, dass ich die richtige Abkürzung genommen habe.
In einer halben Stunde bin ich in Gonna, dann noch eine Stunde, und ich bin zu Hause bei der Mutter. Sie wartet bestimmt schon auf mich. Diese Gedanken beflügeln meinen Schritt. Noch bin ich überzeugt davon, dass der schmale Weg, den ich vor mir erahne, nach Gonna führt. Doch allmählich kommen mir Zweifel. Müsste ich nicht längst diesen Ort erreicht haben oder täuscht mich mein Zeitgefühl? Es ist Heiligabend, es gibt keine Hoffnung, dass ich einem anderen Menschen hier begegnen könnte. Noch verdränge ich den Gedanken, dass ich mich verlaufen haben könnte. Aber so angestrengt ich auch schaue, in der Dunkelheit finde ich keinen Baum, keine Stelle, die mir bekannt ist. Ich bin allein, ich friere. Was soll ich machen, wohin soll ich gehen? Eines weiß ich: Vor allem darf ich jetzt nicht verzagen. Ich muss weiter laufen, um nicht zu erfrieren. Ich mache mir selber Mut. Ich bin jung und gesund und ich werde nach Hause kommen. Und so laufe ich weiter und weiter. Auch nach zwei Stunden ist alles noch fremd um mich her. Ich unterdrücke die Angst, die in mir aufsteigt. Die Mutter wird sich auch Sorgen machen, müsste ich doch schon längst in Wettelrode sein. Und so halte ich an der Hoffnung fest, dass es für mich ein gutes Ende geben wird.
Dann nach einer weiteren Stunde in der Dunkelheit und der kalten Stille, in der ich nur das Geräusch der eigenen Schritte höre und sonst nichts, komme ich an eine Stelle, die mir bekannt ist. Jetzt weiß ich, dass ich bald zu Hause bin. Ein Gefühl der Freude überkommt mich, die Spannung fällt langsam von mir ab, ich spüre aber auch, dass ich sehr müde bin. Nun wird alles gut.
Die Mutter empfängt mich mit Tränen in den Augen. Ich umarme sie und bin einfach nur glücklich, dass ich wieder hier bei ihr bin. Bis an mein Lebensende werde ich diese lange, einsame Wanderung an diesem besonderen Weihnachtsabend nicht vergessen.
 

*****

Johann Gottlieb Röhrig (* 22. Juli 1808, + 27. März 1875), verdienstvoller Bergmann, Obersteiger (1841), Berggeschworener (1857). Namensgeber des Röhrigschachtes in Wettelrode

Otto Ludwig Krug von Nidda (* 16. Dezember 1810 in Sangerhausen,
+ 03. Februar 1885 in Berlin), Geheimer Oberbergrat (1856), Leiter der Abteilung für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen, 1865 Oberberghauptmann.

Karl Friedrich Ludwig Plümicke (* 06. März 1791,
+ 27. April 1866), verdienstvoller Lehrer an der Bergschule in Eisleben, Schichtmeister am Froschmühlen- und Erdeborner Stollen, Stollenfaktor, Bergrat, Ehrenbürger der Stadt Eisleben.

Johann Christ. Eisentraut (* 07. Februar 1772,
+ 09. Dezember 1830), Obersteiger, 2. Lehrer.

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Weihnachten im Schacht
von Dr. Rudolf Mirsch
2009


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Wie in vielen anderen Bergbauzweigen war es auch in den Mansfelder Schächten Brauch, besondere Festtage im Kreise der unmittelbaren Arbeitskollegen zu feiern.
Das erfolgte auf unterschiedliche Weise. Es gab eine Zeit, wo nach dem Neujahrsfest die erste Schicht nicht gearbeitet wurde. Es heißt dazu: „Nach altem Bergmannsbrauch wird diese mit Singen und Beten Angefangen und beendet.“ In wesentlich längeren Zeiträumen wurde die letzte Schicht des Jahres nach der Steigerbefahrung vorzeitig beendet und die Kameradschaften verbrachten die Zeit bis zur regulären Seilfahrt gemeinsam vor Ort. Es wurde nicht nur erzählt, sondern es gab häufig auch jemand, der dafür sorgte, dass dabei im Streb ein gemeinsames „Knätzchenessen" stattfinden konnte.

Die Betriebsruhe an Sonn- und Feiertagen konnte nicht absolut sein. Die Wasserhaltung und andere wichtige Betriebspunkte mussten jedoch auch an diesen und auch an den Feiertagen am Jahresende besetzt bleiben.
1930 waren im Bergbau noch immer 80 Pferde, davon 60 unter Tage eingesetzt, die auch an den arbeitsfreien Tagen ganztägig versorgt werden mussten. Aus dem Jahr 1887 ist eine kurze Geschichte überliefert, welche den Ablauf und die Gefühle eines dazu eingesetzten jungen Bergmannes schildert. Sie wurde nur unwesentlich gekürzt und geringfügig überarbeitet. Und das ist die Geschichte des jungen Bergmanns:
„Eine solche Schicht erstreckte sich auf die Zeit von Sonntagmittag 12.00 Uhr bis Montag morgens 6.00 Uhr, also 18 Stunden, wofür fünfzehn Groschen vom Unternehmer des Grubenpferdeparkes als Lohn gezahlt wurden. Das Verfahren einer solchen Schicht ohne besondere körperliche Beanspruchung reizte mich insofern, als ich die betrieblichen Verhältnisse in der I. Tiefbausohle des 81er Lichtloches noch nicht kannte, denn bis dahin war ich nur in der Nähe der Schlüsselstollensohle, von wo aus auch die Einfahrt und Ausfahrt erfolgte, als Treckejunge beschäftigt.

Mit dem Glockenschlage 12.00 Uhr war ich auf der Hängebank vom Schachte I des 81er Lichtloches, wo mich der Futtermeister erwartete. Die Einfahrt erfolgte sofort bis zur I. Tiefbausohle, von wo aus nach kaum 20 Schritten der Pferdestall mit 20 Grubenpferden erreicht wurde. Nun war ich mit dem Futtermeister 250 m unter der Erde. Die mehr als 2000 Bergleute des Lichtloches 81 begingen ihren festgelegten Ruhetag. Bei unserem Eintritt in den Pferdestall reckten die stattlichen Grubenpferde ihre Hälse und scharrten mit den Hufen, denn sie waren an pflegerische Ordnung gewöhnt. Um die hungrigen Mäuler zu stillen, leistete ich dem Futtermeister Hilfe, so dass das Füttern schnell von- statten ging. Damit war jedoch das Füttern noch nicht erledigt, denn in der II. Tiefbausohle waren noch 6 Pferde zu betreuen. Um nach dort zu kommen, musste das Fahrtrum des Schachtes II von der I. zur II. Tiefbausohle benutzt werden. Der vertikale Abstand beider Sohlen betrug 63 m und war mit 16 Fahrbühnen und der gleichen Zahl Fahrten zum Ein- und Ausfahren versehen. Der Zugang vom Schachtfüllort des Schachtes I bzw. vom dortigen Pferdestall aus nach dem Schachtfüllort des Schachtes II erfolgte auf dem Bohlenbelag einer Ritzstrecke, welche zum Auffangen der Traufwasser hergerichtet war.
Der geregelten Wetterführung halber war diese Strecke mit einer Wettertür versehen, die nur beim Eingang geöffnet, sonst aber geschlossen gehalten werden musste. Um das Füttern der Pferde, die Pünktlichkeit gewöhnt waren, zum Abschluss zu bringen, wurde die Reise nach der II. Tiefbausohle sofort angetreten.

Der Futtermeister ging voraus und ich folgte ihm auf dem Fuße. Sobald wir die Wettertür hinter uns geschlossen hatten, wurde ich durch das orkanartige Brausen der Grubenluft hinter der Wettertür in Aufregung versetzt, so dass ich nur mit beklommenem Atem folgte, wovon er allerdings nichts merken durfte. Hinzu kam, dass der Widerhall unserer Schritte und die ungewohnte Umgebung deprimierend auf mich einwirkten. Heilfroh war ich daher, als wir an Ort und Stelle unseres Amtes walten konnten. Und mit größerer Liebe und Sorgfalt sind die vierbeinigen Lebewesen wohl nie betreut worden als von mir an dem Tage, wo ich meine erste Fünfzehn-Groschen-Schicht verfuhr. Wortlos traten wir den Rückweg an, und so kamen wir wieder dahin, wo uns 20 Pferde und das Miezekätzchen begrüßten. Persönlich hatte ich das Gefühl, dass die Grubenpferde eine gewisse Freude empfanden, menschliche Wesen wieder in ihrer Mitte zu haben. Inzwischen war es 14 Uhr geworden und nach einem bescheidenen Imbiss machte der Futtermeister sein Mittagschläfchen. Ich selbst legte mich ins Heu, das Kätzchen im Arm, konnte aber infolge innerer Aufregung keinen Schlaf finden. Rübezahl, Berggeist, Gnomen und Zwerge marterten mein Hirn. Die Zeit ging nur schleichend dahin. Und so war für mich die Zeit von 14.00 bis 19.00 Uhr eine kleine Ewigkeit. Im Anschluss daran wurden die Pferde getränkt und mit Futter für die kommende Nacht versehen. Nun erhielt ich die Anweisung, die Pferde in der II. Tiefbausohle zu betreuen. Widerspruch wagte ich nicht. Ich machte mein Grubenlicht zurecht und begab mich auf den Weg, den ich ob seiner seelischen Qual nicht vergessen werde. Ich öffnete die schon erwähnte Wettertür und schloss sie sofort nach meinem Durchgang wieder und musste feststellen, dass auf der Gegenseite der Wetterstrom brausend Einlass begehrte.
Eine kurze Ruhepause legte ich ein, um mich zu überzeugen, ob im Bereich des Schachtes II einschließlich der Zugänge alles in Ordnung war. Darauf trat ich den Marsch nach Schacht II bzw. dem dortigen Fahrtrum nach der II. Tiefbausohle an. Nach kaum 10 - 15 Schritten erschallte als Folgeerscheinung meiner eigenen Fußtritte ein vielfaches Echo von den Streckenstößen, das ich bei meinem Glauben an den Berggeist, als dessen Werk betrachtete und daher sofort die Flucht bis zu der rettenden Wettertür antrat, um von dort im Zweifelsfalle mich in den Pferdestall oder in die Nähe eines Wesens von gleichem Bein und Blut zu retten. Es war die 8. Abendstunde. Es rieselten und plätscherten die fließenden Grubenwasser, geheimnisvoll knistert es im Gestein und aus der Ferne ist das Echo von Druckauslösungen im Gestein zu hören. Die Grubenluft kämpft brausend an den Wettertüren, um den Durchlass zu erzwingen. Im Pferdestall ist inzwischen die Nachtruhe eingekehrt. Mit gekreuzten Beinen, den Rücken an die Wand gelehnt, sitzt der Futtermeister auf dem Schemel, sein mit Elefantentabak geladenes Pfeifchen im Munde, auf seinem Schoße ein arg zerlesenes Bündel 10 - Pfennighefte des Romans vom „Räuberhauptmann Schinderhannes" und kaum 8 Schritte von ihm entfernt kauert hinter der Wettertür, Angstschweiß auf der Stirn, zitternd mit allen Gliedern, seine Hilfskraft in einer Situation, die wenig beneidenswert war. Damals glaubte ich noch fest an unterirdische Gewalten und somit auch an das sagenhafte Treiben der Berggeister. Dass ich vor dem Widerhall meiner Fußtritte das Hasenpanier ergriff, war eine Folgeerscheinung des erwähnten Glaubens und weiterhin eine Nervenprobe, der ich nicht gewachsen war.
Nachdem ich an der Wettertür einige Zeit verweilt hatte und innerlich etwas ruhiger wurde, trat ich erneut den Weg zum Fahrschacht des Schachtes II an. Dort angekommen, überzeugte ich mich, ob in der Umgebung des Schachtes auch alles in geregelter Ordnung war. Da ich nichts Gegenteiliges feststellte, begann ich den Abstieg nach der II. Tiefbausohle, der aber nicht so vor sich ging, wie mir vorschwebte, denn wie ich die erste Hälfte der 2. Fahrt hinter mir hatte, gewahrte ich mehrere Fahrten unter mir ein Licht, dass mir entgegen zu klettern schien. Noch nicht innerlich völlig beruhigt, brachte ich das erwähnte Licht mit dem Berggeist in Verbindung und ergriff daher nochmals die Flucht bis zum Schachtfüllort, wo ich den Mut aufbrachte, die Flucht bis zur Wettertür nicht fortzusetzen, sondern von oben her zu beobachten, ob das Licht mir folgte. Ein Blick in die Tiefe überzeugte mich bald, dass das Licht verschwunden war. Nun begann ich wieder das Abklettern bis zu der 313 m tiefen II. Tiefbausohle, von wo ich bald die Ställe meiner Pflegebefohlenen erreichte.
Verhältnismäßig schnell erledigte ich meine Arbeit, wobei die treuen Tiere sicher nicht zu kurz gekommen sind, denn ich gab mehr als das mir angeratene Soll. Mit dem Mehr glaubte ich eine Dankesschuld abzugelten, denn in ihrer Nähe fühlte ich mich geborgener als hinter der Wettertür oder auf den Fahrten. Erleichtert trat ich nun den Rückweg an, wobei ich weder nach rechts oder nach links sah und auch Geräusche nicht beachtete. Zurückgekommen in den Pferdestall der I. Tiefbausohle meldete ich dem Futtermeister die Erledigung des Auftrages. Schnell machte ich mich daran, mein Abendbrot einzunehmen, wobei auch für das Stallkätzchen  etwas abfiel. Nachdem dies geschehen, begab  ich mich auf mein Nachtlager, auf welches ich das Kätzchen mitnahm und so gegen ungebetene Gäste [den Mäusen] geschützt war.
Trotz meiner stark in Anspruch genommenen Nerven und sonstigen Erlebnisse mit dem Berggeist, verfiel ich bald in erquickenden Schlaf, der bis in die hohen Morgenstunden anhielt. Auf keinen Fall durfte aber der Futtermeister von meiner überstandenen Angst erfahren. Auch meinen Arbeitskameraden gegenüber blieb ich in dieser Beziehung schweigsam, um nicht Gefahr zu laufen, dass meine Erlebnisse allgemeines Belegschaftsgespräch wurden und so den Weg freilegten, mir einen Spitz- oder Spottnamen zuzulegen, auf den ich bestimmt nicht stolz hätte sein können.
In einer vorweihnachtlichen Dämmerstunde habe ich am warmen Ofen meinem Vater und meinem Onkel Wilhelm von meinem Erlebnis mit der Fünfzehn-Groschen-Schicht berichtet. Es mag wohl bald ein verhaltenes Schmunzeln ihren Backenbart durchzogen haben, was ich nicht sehen konnte. Ausgelacht bin ich von ihnen aber nicht worden, vielmehr waren beide bemüht, meinen Glauben an den Berggeist auf Grund ihrer langjährigen Erfahrungen als Bergmann ins Wanken zu bringen. Glück auf!

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Ein Missverständnis mit ärgerlichen Folgen
von Martin Latk
2011


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Etwa um 1964 entwickelte ein Neuererkollektiv unter Leitung des Werkleiters Otto T. auf dem Otto-Brosowski-Schacht eine automatische Huntestürze für die Abbautechnologie mit dem Huntestreb. Das Ziel war die Einsparung des Sturzbühnenmannes.
Das Füllgut des Huntes wurde nicht mehr von Hand in den Förderwagen sondern automatisch auf ein Förderband gekippt. Ein positiver Effekt konnte dabei aber nur bei gleichzeitigem Einsatz möglichst vieler automatischer Huntestürzen, also auf einem großen Abbauflügel, erreicht werden. Das Vorhaben war eigentlich ein Anachronismus. Die Zeit der großen Abbauflügel mit Huntestreben war vorbei. Plattenbänder und Einschienenförderer hatten sich zu dieser Zeit schon als die produktiveren Abbauverfahren erwiesen und ihr Einsatz wurde im Sangerhäuser Revier ständig forciert, Gleichzeitig zeigte es sich schon, das die mehr oder weniger noch in Erprobung befindliche Gradstrebabbaumethode Perspektive hat.
Geplant war die praktische Erprobung in die Produktion mit 3 automatischen Huntestürzen an einen Abbaupfeiler mit etwa 80m Bogenlänge.
Der Anlauf war katastrophal. Die Störanfälligkeit der Konstruktion war sehr hoch. Behandelt wurde das Problem nach dem Motto der Antwort des Sender Jerewan, „ im Prinzip funktioniert die Stürze. Aber es sind nur noch einige Kleinigkeiten zu beseitigen.“
Nun begab es sich das der Werkleiter endlich positive Ergebnisse nachweisen wollte. Vor einer Besuchergruppe wollte er persönlich die Funktionsfähigkeit und Vorzüge demonstrieren. Die Gruppe befuhr unter der Führung des Werkleiters die Bandstrecke in der die Stürzen im Einsatz waren. Vorweg gesagt, es wurde nicht der Tag des Otto T..
Die erste Stürze war im Stillstand. Es „krepelte“ wie man so im Schacht sagt. Die Gruppe ging weiter zu der 2. Stürze. Dort war ebenfalls Stillstand und der Schlosser Helmut B. war dabei die Stürze betriebsfähig zu machen. Auf Fragen erklärte er, das das länger dauern könne. Der Werkleiter fragte den Schlosser ob den eine funktionsfähige Stürze zu sehen sei. Der Schlosser sagte zum Werksleiter, „dahinten die 3. Stürze läuft einwandfrei“. Der Werkleiter marschierte mit den Besuchern in der Hoffnung weiter, endlich eine funktionierende automatische Huntestürze zu präsentieren können.
Schnell kam die Gruppe zurück. Der Werkleiter war außer sich vor Wut. (So erzählte es mir der Schlosser). Er schrie den Schlosser an, „was er sich erlaube ihn zu veralbern usw“. Denn die 3.Stürze war eine ganz normale Huntestürze mit einem Bühnenmann, der den Hunt auf das Band auskippte.
Die ganze Show vor den Besuchern mit der angeblich funktionierenden automatischen Huntestürze war geplatzt. Der Schlosser verteidigte sich gegenüber dem Werkleiter mit den Worten, dieser haben ihn nur nach einer funktionierenden Stürze, aber nicht nach einer automatischen Huntestürze gefragt und diese Frage habe er richtig beantwortet.
Der Werkleiter reagierte wütend mit der Anweisung der Schlosser solle sofort aus dem Schacht fahren, er werde ab sofort nach Übertage versetzt und er solle sich am Schichtende bei ihm zum Rapport melden, das weitere werde er dann erleben.
Die Sache ging gut für den Schlosser aus. Er blieb im Untertagebetrieb.
Die Kinderkrankheiten der automatischen Stürze wurden überwunden. Übernommen auf die Schächte des Sangerhäuser Reviers wurde die automatische Huntestürze nicht.

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Wie ich ein "guter" Schießmeister wurde
von Martin Latk
2011


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Anfang der 70er Jahre vollzog sich der Übergang der Gradstrebbautechnologie zur vorherrschenden Abbautechnologie auf dem Bernard –Koenen-Schacht.
So wurde auch ich eines Tages in der Nachtschicht auf einen Gradstrebflügel eingeteilt. Es waren Gradstrebe mit der ersten Generation der Abförderausrüstung. Das Haufwerk wurde noch aus dem Streb über eine Haufwerksübergabe direkt in den Förderwagen gefüllt.
Dazu mussten nachfolgend den Streben die Förderstrecken aufgefahren werden. Diese Auffahrung erfolgte durch Vorrichter in der Nachtschicht. Nun sollte ich die Vorrichtung schießen. An sich kein Problem. Es waren in der Regel 6 Loch in der Ortsbrust, unter der sich der freie Raum der Strebfahrt befand, zu laden. Das Streckenprofil war örtlich bedingt etwa 3m x 3m. Auf die unterschiedliche Stärke der Sprengladungen in den Bohrlöchern, wie an Bandbergen, braucht man hier keine Rücksicht nehmen. Ich lud die 6 etwa 2m tiefen Bohrlöcher und zündete. Als Zünder wurden damals noch Zeitschnurzeitzünder verwendet.
In der nachfolgenden Nachtschicht erklärten mir die Vorrichter, das Haufwerk hätte zu sehr als kompakte Halde vor der Strebfahrt gelegen und sie hätten anfangs große Schwierigkeiten beim Schrappen gehabt. Der Schießmeister der vor mir da war hätte immer für eine breite Streuung gesorgt. Ich sagte, ich hätte alles gemacht so gut ich es wüsste, aber ich werde das nächste Mal die Bohrlöcher stärker laden.
Als ich in der nächsten Schicht in den Ort kam unterhielten sich die Vorrichter, so das ich es hören sollte, „ ich wäre wahrscheinlich zu jung und hätte zu wenig Erfahrung usw“. Es wurmte mich mächtig, aber ich meinte, ich tat doch mein Bestes. So änderte ich erstmal die Zündfolge der Bohrlöcher.
Am Schichtende, marschierten die Vorrichter an unserem Vorbereitungsraum vorbei und führten wieder eine laute Unterhaltung mit der Aussage, dass der Schießmeister es doch nicht packt. Jetzt hätte das Haufwerk noch an der Streckenseite gelegen und sie mussten zum Schluss noch viel mit der Schippe in die Schrapperbahn schippen. Mich wurmte die Unterhaltung mächtig. Meine Kollegen sagten kein Wort.
Auf unserem Weg zum Schacht nahm mich ein alter Kollege bei Seite und fragte mich wie ich die Bohrlöcher besetze. Ich erklärte es und drückte mein Unverständnis darüber aus weil ich die Vorrichter nicht zufrieden stellen konnte.
Der alte Kollege sagte, Du bist neu, die Vorrichter kennen dich nicht und trauen es dir nicht zu sagen wie es dein Vorgänger gemacht hat damit das Haufwerk breit gestreut dalag. Erreichen kannst du das indem du eine zusätzliche Ladung unter den Abschlag auf das Liegenden legst und sie mit großen Wacken oder 3 bis 4 Strebstempeln abdeckt und diese Ladung als Letzte in die Zündfolge einbaut. Die Ladung wird dann beim Zünden die Halde des eben gesprengten Haufwerks aufwirbeln und breit streuen. So wollen die Vorrichter es haben. Aber das ist verboten wegen der Versagergefahr.
Es ist deine Verantwortung denn wenn die Ladung nicht zündet weil die Sprengung  eventuell die Zündschnur der liegenden Ladung durchschlägt und diese nicht gezündet wird. Um den Versager zu beseitigen musst du den ganzen Haufen durchwühlen. Erfolgt das nicht, bleibt der Ort stehen. In der Frühschicht kann der Streb nicht belegt werden. Die Folgen für dich weist du.
Hin wie her überlegt, in der nächsten Nachtschicht brachte ich doch die zusätzliche Ladung an. Am Schichtende marschierten die Vorrichter wieder an unserem Raum vorbei und unterhielten sie so dass wir es hören sollten, „Heute hat der Schießmeister gut geschossen, besser kann es keiner machen.“
So ist das manchmal im Berufsleben wenn Vorschriften und Wünsche entgegenstehen.
Zumal wenn die Vorschriftsüberwacher weit weg sind und die Wünschenden jeden Tag sich mit spitzen Bemerkungen äußern und den Ehrgeiz anstacheln.

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Die Rache der Förderleute
oder späte Folgen für unkameradschaftliches Verhalten

von Martin Latk
2011


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In dem 70er Jahren fuhren die Schießmeister auf dem Bernard-Koenen-Schacht die Tagschicht als Zwischenschicht. Um 8.45 Uhr fuhren die Schießmeister in den Schacht ein und 16.45 Uhr war die Ausfahrt. Die Ursache war die im Schichtwechsel durchzuführende Sprengarbeit. Eine Gruppe der Schießmeister waren auf dem Marsch von der 8.Sohle auf die 6.Sohle. An der Spitze der 4 Kollegen marschierte ein älterer Kollege genannt „Claerenz“ nach einem schielenden Löwen aus dem Sonntagsnachmittagsfilmproramm des BRD-Fernsehens.
In dem Flachen von der 7. Sohle zur 6.Sohle war Wagenförderung aber eine Förderpause. So konnte der Marsch fortgesetzt werden, denn während der Förderung war die Fahrung im Flachen verboten. Kurz vor dem Anschlagpunkt des Flachen in der 6. Sohle waren die Förderleute dabei eine Krepelei zu beseitigen. Das heißt, es waren volle Förderwagen waren entgleist und umgestürzt. Die Förderleute baten die Schießmeister um Hilfe. Der an der Spitze marschierende „Claerenz“ rief nur „Nach Vorne“ und ging weiter. Die anderen Schießmeister halfen den Förderleuten die Krepelei zu beseitigen.
Wochen vergingen es war wieder Tagesschicht für die Schießmeister, Claerenz hatte sich mit seinen Kollegen abgesprochen, das sie einen Teil seiner Arbeit übernehmen, er wollte 14.30 Uhr vorzeitig ausfahren um dringende Besorgungen in Sangerhausen zu machen. Die restlichen Schießmeister von der 6.Sohle machten sich gegen 15.30 Uhr auf den Marsch zum Schacht. Als sie auf der 6. Sohle am Flachen ankamen war da die Förderung im vollen Betrieb und „Claerenz“ saß mit finsterem Gesicht auf der Bank der Förderleute. Mit dem Eintreffen der Schießmeister wurde die Förderung eingestellt und die Schießmeister konnten das Flachen betreten.
Während des Marsches begann das Ausfragen, warum „Claerenz“ noch da war. Erst sagte er nichts. Die aufkommende Schadenfreude der Arbeitskollegen führte zu immer neuen Nachfragen. So in der Art, „Rainer hast Du Rast gemacht auf Bank und bist eingeschlafen“. Erst sagte nur „ leckts mich doch am ….“.
Die Schießmeister merkten hier hatten die sonst gefälligen Förderleute „Cläerenz“ einen ordentlichen Streich gespielt. Nach Tagen kam dann heraus, als „Claerenz“ am Flachen ankam und die Förderleute fragte ob sie eine Förderpausen machen damit er das Flachen herunter gehen kann, riefen sie nur „Nach Vorne“, grinsten und förderten weiter. Sein Vorhaben, eher auszufahren und Besorgungen zu erledigen war geplatzt.
Natürlich sorgte sein Missgeschick und seine vorhergehende Ungefälligkeit für schadenfrohes Gespräch für die ganze Tagesschicht im Sprengmittelager.

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Ein Bergmannsstreich
oder wie jemand sich zum Schaden den Spott noch selbst besorgte

von Martin Latk
2011


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Diese Geschichte passierte Mitte der 60er Jahre dem Grubenbetriebsleiter Rudi K. auf dem Otto-Brosowski-Schacht. Er war bei öffentlichen Auftritten benachteiligt. Er wirkte phlegmatisch. Er sprach gleichmäßig ohne Betonung und konnte deshalb nur selten Interesse erwecken. Einmal sorgte er jedoch für große Aufmerksamkeit und Schadenfreude.
Es war eigentlich eine ganz normale Mittagschicht im Sommer. Die Busse mit den Bergleuten trafen nach und nach auf dem Brosowski-Schacht ein. Einige Kumpel gingen noch Essen in den Speisesaal. Andere machten Besorgungen im Magazin. Wieder Andere standen in der Lohnhalle oder im Hof am Springbrunnen, den Sonnenschein genießend schwatzten und rauchten. Plötzlich erklangen im Betriebsfunk die Trompeten von dem Einzugsmarsch der Oper Aida. Es war das Signal das ein Roter Treff stattfindet. Das Mikrofon übernahm der Grubenbetriebsleiter.
In seinem eintönigen langsamen Sprechtempo erklärte er, dass er in der Frühschicht eine Befahrung in der 12. Sohle gemacht habe und dass es seine Pflicht sei Mängel an Ort und Stelle anzusprechen. Wir dachten, wen hat es jetzt getroffen. Dann redete er langatmig davon, dass er doch als Vorgesetzter Achtung verdiene man ihn nicht verspotten und seine Autorität untergraben dürfe. Nun wurden die Kumpel aufmerksamer. Alle spürten es, der Grubenleiter ist schwer gekränkt.. Immer noch weit ausholend kam er zur Sache, man habe ihn beleidigt. Während einer Strebbefahrung habe man seine Jacke, die er an einen Stempel in der Sohle aufgehängt hatte, mit Schienennägeln fest angenagelt. Die Jacke war ruiniert. Er erklärte wieder weitschweifig, dass sich solche Streiche mit dem Grubenleiter nicht gehörten und dass der Täter bestraft werden muss. Aber er wolle bei freiwilliger Meldung von einer Bestrafung absehen. Dann beendete er den Roten Treff mit seinem üblichen Abschluss-Spruch, „Ein herzliches Glück Auf und recht viel Schiefern“.
Die Anwesenden in der Lohnhalle verkniffen sich die Schadenfreude. Die Kumpel auf dem Hof, im Speisesaal und in der Kaue lachten laut. und diskutierten: „wie kann jemand dem ein Streich gespielt wurde das noch an die große Glocke hängen“. Zumal die Mittagschicht ja gar nichts mit dem Geschehen zu schaffen hatte und normaler Weise den Streich gar nicht erfahren hätte.
Die Kumpel waren der Ansicht, wäre der Grubenleiter still geblieben, hätte niemand außer den Beteiligten etwas erfahren. Der Übeltäter hätte gewiss nicht mit seinem Streich geprahlt. Übrigens muss dem Grubenleiter doch ein Licht aufgegangen sein, das er die Sache falsch angegangen ist. Denn am nächsten Tag in der Frühschicht hat er den Roten Treff nicht wiederholt.

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