Der Verein der Mansfelder Berg- und Hüttenleute e.V. und das Deutsche Bergbau-Museum Bochum haben 2011 Band 4 der Schriftenreihe

    "MANSFELD Die Geschichte des Berg- und Hüttenwesens" 

    veröffentlicht. Dieses Buch behandelt die Jubelfeiern des Mansfelder Kupferschieferbergbaus in den Jahren 1900, 1950 und 2000. In Vorbereitung dieser Veröffentlichung haben die Autoren umfangreiche Recherchen in  Archiven und Museen durchgeführt und darüber hinaus viele interessante Dokumente von Privatpersonen zur Verfügung gestellt bekommen. Naturgemäß hat davon nur ein Teil Einzug in das Buch finden können. Insbesondere umfangreiche Zeitdokumente, zum Beispiel solche in Broschürenform und umfangreiche Fotosammlungen, finden sich dort nur auszugsweise wieder.

    In diesem Bereich unserer Internetpräsentation machen wir Zeitdokumente zugänglich, die nicht oder nur auszugsweise in das Buch eingeflossen sind. Damit ein möglichst umfassender Gesamteindruck von den gezeigten Sachverhalten entsteht, finden sich hier natürlich auch solche Dokumente, die zur Substanz des 4. Bandes gehören!

    Auch, wenn vieles von dem, was hier zu finden ist ganz bestimmt sehens und lesenswert ist und für sich selbst spricht: Den in Blick in das Buch mit seinen erläuternden und verbindenden Texten und den ansprechensd aufbereiteten Dokumenten und Bildern kann und will es nicht ersetzen!

    01/2019

    1900 Die 700-Jahr-Feier           1950 Die 750-Jahr-Feier          2000 Die 800-Jahr-Feier


    Warum es erst 1900 zur ersten Feier gekommen ist ....


    Die 700-Jahr-Feier im Jahre 1900


    Postkarte aus Eisleben

    Der Aufwand für die 700-Jahr-Feier war entsprechend groß. Eisleben prangte im Festschmuck. Mehr als 7.000 Berg- und Hüttenleute wurden zur Parade aufgeboten, 5.700 Mansfelder Schüler und Schülerinnen hatten „Gelegenheit", „an bevorzugten Plätzen und in bequemer Stellung Ihre Majestäten, den Kaiser und die Kaiserin, in die Stadt einziehen zusehen und ihnen zuzujubeln". Am 12. Juni tafelten 700 Ehrengäste im Wiesenhause und erhielten jeder ein Exemplar der Festschrift. Die zur Parade „commandiert" gewesenen Berg-und Hüttenleute wurden „zugweise zur Bewirtung geführt". Am 13. Juni gab es in weiteren Orten Umzüge und gesellige Zusammenkünfte der Belegschaften. Hettstedt veranstaltete einen Fackelzug zur „historischen Fundstelle vor dem Grellmannschen Hause" auf dem Kupferberg.

    Eine reine Gedenkveranstaltung war die 700-Jahr-Feier allerdings bei weitem nicht. Sie galt sogar in erster Linie sehr handfesten ökonomischen und politischen Interessen. Von Kaiser Wilhelm II. (1859 bis 1941), und den geladenen höheren Beamten erhoffte sich die Unternehmensleitung in ganz pragmatischer Weise einträgliche Staatsaufträge, eine Gesetzgebung, die Gewinne sicherte, und die Eindämmung des wachsenden Einflusses der Sozialdemokratie. Dr. Otto Robert Georgi (1831 bis 1918), der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister und Mitglied der Gewerkschaftlichen Deputation, deutete das in seiner Rede vor dem Kaiser vorsichtig an: Er verwies auf Schwierigkeiten, die sich aus dem Preisverfall für Kupfer und Silber und dem überraschenden, unvorhergesehenen Einbruchvon den Wassern des Salzigen Sees in die Grubenfelder ergeben hatten. Deutlicher wurde Adolph Graf von Hohenthal (1846 bis 1914) im Wiesenhause: Er dankte dem zuständigen Minister und dem Oberbergamt für die „energische Vertretung unserer berechtigten Wünsche", die „einsichtsvolle Anerkennung unserer Mansfeldschen Eigenart" sowie für vorsichtiges Abwägen gegenüber unreifen Plänen in Bezug auf Grubenpolizei und die Besteuerung der Gewerkschaften und für Unterstützung gegen frivole Streiks".

    Mit Blick auf den Ausstand der Bergleute im Ruhrgebiet 1889 beklagte Bergrat Hermann Eduard Schrader (1855 bis 1940) schon beim Probeaufmarsch der Berg- und Hüttenleute am 10. Juni „bedenkliche Erscheinungen", zu denen die „Einführung des allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrechts" geführt hätten. Die „seit Alters gerühmte Bergmannstreue" sei durch sozialdemokratische Umtriebe erschüttert" worden. Schrader verlieh dem Verband der Mansfelder reichstreuen Berg- und Hüttenarbeiter eine Fahne und versprach, der Kaiser werde ein „herrliches Reich" errichten, „größer und machtvoller, als je in der Vergangenheit". Auch die Kaiserin Auguste Victoria (1858 bis 1921) blieb nicht untätig: Als ihr der Vorsitzende des reichstreuen Verbandes  vorgestellt wurde, soll sie gefragt haben, ob es unter den Mitgliedern „nicht doch auch Sozialdemokraten" gäbe. Auftrags- und erwartungsgemäß antwortete dieser: „Sozialdemokraten nicht, Ew. Majestät, wohl aber Schwache, die jedoch an dem reichstreuen Vereine den notwendigen  Rückhalt finden und so vor weiterer Gefahr bewahrt bleiben". Das entsprach zwar mehr dem Wunsch des Verbandes und der Kaiserin als der Wirklichkeit, aber so groß, machtvoll und herrlich, wie Schrader glaubte, ist schließlich auch das „neue Reich" nicht geworden. Das Kaiserpaar war im Übrigen nur mit Mühe dazu gebracht worden, die Einladung zur 700-Jahr-Feier überhaupt anzunehmen, bestand doch das gravierende Problem darin, dass die Mitglieder des preußischen Königshauses Eisleben seit dem Jahre 1847 nicht mehr betreten wollten. Damals hatten hungernde Bürger den Abtransport von Getreide aus der Stadt verhindert und ein Militärkommando mit Steinen beworfen. Mehr als 70 Eisleber Bürger wurden daraufhin zu Haft-, Leibes- und Geldstrafen verurteilt, die Stadt verlor außerdem seinen Status als Garnisonsstadt: Fortan sollte und wollte kein Hohenzoller mehr seinen Fuß in die Stadtsetzen. Da Wilhelm II. aber für seine Rüstungspläne dringend Kupfer und Kupfererzeugnisse brauchte, fand man eine Lösung. Der Kaiser bestieg vor dem Bahnhof ein Pferd und blieb während der gesamten Dauer seines nur gut einstündigen Aufenthaltes darauf sitzen. Damit hatte er also tatsächlich keinen Eisleber Boden „betreten". Wer auf diesen Einfall kam, ist unbekannt, doch kam diese „Rosstour" der sprichwörtlichen Eitelkeit des Kaisers und seinem übersteigerten Selbstbewusstsein sehr entgegen. Wilhelm II. überragte damit auch die Menge und ähnelte dem pompösen Reiterstandbild, das im Jahre 1896 für seinen Großvater, Wilhelm I. (1779 bis 1888), am Kyffhäuser errichtet worden war.

    Dennoch: Für die Mansfeld'sche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft war die 700-Jahr- Feier ein Erfolg, war doch das Unternehmen durch den Besuch des Kaisers anerkannt und geehrt worden. Zudem hatte sich der Kaiser nicht negativ über die Mansfelder Bürger geäußert bzw. nicht auf das Ereignis des Jahres 1847 Bezug genommen. Insofern waren die Pläne des Mansfelder Unternehmens aufgegangen, die Feier zu einer Manifestation der Macht und der Leistungsfähigkeit werden zu lassen. Jeder Teilnehmer an der Jubelfeier musste - bewusst oder unbewusst - in aller Deutlichkeit erkennen, dass Mansfeld ohne die Mansfeld'sche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft nicht denkbar war und dass das Wohl und Wehe der gesamten Region und jedes Einzelnen von diesem Montanunternehmen abhing. Die 700-Jahr-Feier des Jahres 1900 war eine gezielte Machtdemonstration!

    01/2019

    Die 750-Jahr-Feier im Jahre 1950


    Keramikteller

    Die 750-Jahr-Feier fiel in die frühen Jahre der Existenz der Deutschen Demokratischen Republik und damit in eine Zeit, die eher eine Konsolidation der Verhältnisse erforderte als eine Jubiläumsfeier. Hinzu kamen ernsthafte Versorgungsschwierigkeiten und -engpässe, die eigentlich überhaupt nicht in das „Weltbild" passten und zudem einen außerordentlich hohen Aufwand erforderlich machten, der zu Lasten Dritter gehen musste. Es spricht für die nicht weg zu diskutierende gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Mansfelder Unternehmens für das Staatswesen der DRR, dass sie sich - trotz aller Bedenken und wirtschaftlichen  Schwierigkeiten - dafür entschieden hatte die 750-Jahr-Feier durchzuführen. Offenbar hatten  sich in der Staatsführung jene Kräfte durchgesetzt, die in dieser Feier auch eine Chance gesehen haben, die Leistungsfähigkeit der jungen DDR, ihrer Wirtschaft und ihrer Einwohner zu belegen. Dieser Entschluss zur Durchführung des Festes sollte auch alle untergeordneten Institutionen, die in diesem Fest bei der allgemein herrschenden Mangelsituation eine letztlich unzumutbare und deshalb undurchführbare Aktion erkennen wollten, eine deutliche Aufmunterung sein. Der Sozialismus kann für besondere Ereignisse Kräfte freisetzen die ihn gegenüber dem Imperialismus westlicher Prägung als führend erweisen. Angesichts dieser zugewiesenen Bedeutung und des hohen, auch persönlichen Einsatzes mancher Minister war es nur folgerichtig, dass Wilhelm Pieck als dem Staatspräsidenten der DDR eine besondere Rolle zukam.

    Wilhelm Pieck (1876 bis 1960), dem Ehrengast der 750-Jahr-Feier vom 01. bis 03. September1950, waren als gelerntem Handwerker derartige Feiern in der Regel eher unangenehm und Heldenposen peinlich. Die feierliche Begrüßung an der Kreisgrenze ließ sich natürlich nichtvermeiden. In Halle, wo der Staatspräsident am Tag zuvor eingetroffen war, hatte er sich jeden Empfang verbeten, da er nur als durchreisender Hotelgast gekommen sei. Pieck hatte man aber nicht lange bitten müssen, die 750-Jahr-Feier in Eisleben als Staatsgast zu besuchen, sah er doch als langjähriger Spitzenfunktionär der KPD bzw. SED im Mansfelder und Sangerhäuser Kupferbergbaugebiet vor allem ein Zentrum der „revolutionären  Arbeiterbewegung". In seiner Rede erinnerte er denn auch an den - allerdings erfolglosen -Aufruf Thomas Münzers an die Sangerhäuser Bergknappen, den Bauernaufstand zu unterstützen, an die Streiks der Jahre 1909 und 1930, an den Kapp-Putsch 1920 und die „Märzkämpfe" 1921, an den „Blutsonntag" von 1933, an die Fahne von Kriwoj Rog als Symbol der Freundschaft zwischen ukrainischen und Mansfelder Bergarbeitern und an das vor dem Einschmelzen durch die Nationalsozialisten bewahrte Lenindenkmal.

    Doch Wilhelm Pieck war nicht nur der „revolutionären" Vergangenheit wegen ins „rote Mansfeld" gekommen. Der Aufbau einer Schwerindustrie hatte für das Überleben der 1950 erst wenige Monate alten DDR entscheidende Bedeutung. Die Teilnahme des Staatspräsidenten Wilhelm Pieck und des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl (1894 bis 1964) an der Jubiläumsfeier sollte das demonstrativ unterstreichen. Nur wenige Tage zuvor war eine Verordnung erlassen worden, von deren Umsetzung man sich eine „Steigerung der Arbeitsproduktivität" durch „umfangreiche Mechanisierung" erhoffte. Danach war der Bergbau „vorrangig mit den erforderlichen Ausrüstungen, Ersatzteilen und Materialien" zu versorgen. Löhne und Gehälter sollten so angehoben werden, dass sie „entsprechend der Bedeutung des Bergbaues an der Spitze der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen". Verfügt wurden ferner eine Zusatzbelohnung von bis zu 12 % des Jahresbruttolohns sowie besondere „Ehrenrechte", wie die Titel „Meisterhauer" und „Verdienter Bergmann" sowie ein „Ehrentag der deutschen Bergleute" an jedem ersten Sonntag im Juli, erstmals aber am 17. September 1950. Wilhelm Pieck kündigte den Ausbau bestehender und die Erschließung neuer Schächte im Sangerhäuser Revier an, um die Förderung auf l,5 Mio. Kupferschiefererz zu erhöhen, womit 70 % des damaligen Landesbedarfs an Kupfer gedeckt und die DDR weitgehend von den „Schwierigkeiten der Einfuhr" befreit werden sollte.

    Diese Verordnung war durchaus geeignet, Feststimmung aufkommen zu lassen, bot sich der Region doch nach Krieg, Zerstörung und Hunger eine wirtschaftliche Perspektive, die Arbeit, Lohn und Brot verhieß. Dieser Bedeutung und diesem Anspruch entsprechend konnte sich die 750-Jahr-Feier sehen lassen: Es gab Fahnen- und Girlandenschmuck, Festumzüge, Massenkundgebungen, Fackelzüge und Feuerwerk, Sport- und Kulturveranstaltungen, Gedenkplaketten und Festzigaretten, die Einweihung des Denkmals auf dem Hettstedter Markt, die Verleihung des Namens „Thomas-Münzer-Schacht" und vieles andere mehr. Dass hinter den Kulissen zusätzliche Benzinlieferungen, Lebensmittelzuteilungen und Papierkontingente erstritten und die Essenportionen für Ehrengäste in Hettstedt und Sangerhausen von denen in Eisleben „abgezweigt" werden mussten, war der allgemein schlechten Wirtschaftslage geschuldet und hat vor allem die Organisatoren beschäftigt. Von hohem künstlerischem Rang war das Mansfelder Oratorium von Stephan Hermlin und Ernst Hermann Meyer mit Aufführungen in Hettstedt, Sangerhausen und Eisleben, das zu den kulturpolitisch bedeutendsten Manifestationen der jungen DDR zu rechnen ist.

    Großen Ärger gab es indessen mit der Festschrift. Sie sollte „die verflossenen 750 Jahre in ihrem geschichtlichen und wirtschaftlichen, ganz besonders aber in ihrem politischen Ablauf schildern. Als Mitautor war Dr. Hanns Freydank gewonnen worden, der u. a. das Werksmuseum der Mansfeld AG betreut hatte und enge Kontakte mit dem Westen pflegte, u.a. auch mit dem Bergbau-Museum in Bochum. Im April 1950 kündigte er seine Mitarbeit an der Erstellung der Festschrift auf, da er nicht in der Lage sei, „die Geschichte der Arbeiterbewegung des Mansfelder Bergbaugebietes nach dialektischen (materialistischen) Erkenntnissen zu schreiben". Das Manuskript wurde - wenn auch verspätet - dennoch fertig, in 20.000 Exemplaren gedruckt, zum Jubiläum nicht herausgegeben, am 22. Januar 1951 an einem Altstoffhändler in Magdeburg übergeben und „unter Polizeiaufsicht" wenig später in Bitterfeld eingestampft. Die genauen Gründe dafür sind bis heute unbekannt geblieben, am Gutachten eines späteren Geschichtsprofessors kann es nicht gelegen haben. Es kritisierte zwar die unausgewogene Darstellung, sprachliche Mängel und einige sachliche Irrtümer, blieb insgesamt aber wohlwollend. Es kam in der DDR allerdings häufig vor, dass per Beschluss Ansichten für falsch erklärt wurden, die ein früherer Beschluss derselben Instanz zur allein gültigen Wahrheit erhoben hatte. Zur Ironie der Geschichte gehört es, dass trotz Polizeiaufsicht einige Exemplare der Festschrift aus dem Jahre 1950 erhalten geblieben sind.

    Da die Festschrift eine besondere Bedeutung als aussagekräftiges „zeitgenössisches Dokument" besitzt, haben die Verfasser des nun vorliegendes 4. Bandes sie im Anhang als CD beigefügt: Es mutet fast als ein „Witz der Geschichte" an, dass diese Festschrift erst jetzt unter veränderten gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen und rd. 60 Jahre nach dem vorgesehenen Erscheinungstermin von einem System publiziert werden kann, das ursprünglich dem Klassenfeind zugerechnet worden ist.

    Die 750-Jahr-Feier war - so wird man zusammenfassend urteilen müssen - zum einen Auftakt für eine letzte Periode beeindruckender Leistungen und Produktionsergebnisse im Mansfelder und Sangerhäuser Berg- und Hüttenwesen, sie war zugleich aber gezeichnet von einer dogmatischen Enge, die 40 Jahre später den Untergang der DDR mit verursachte. Dennoch: Für die Bevölkerung im Mansfelder Land war die Feier ein herausragendes Ereignis und ein Signal, das ganz wesentlich zur positiven Motivierung im Sinne einer gesteigerten gesellschaftlichen Akzeptanz der jungen DDR beigetragen hat. Der im ZK der SED in Berlin durchaus kontroverse Entschluss, die 750-Jahr-Feier des Mansfelder Kupferschieferbergbaus-und des Hüttenwesens in großem Umfang zu begehen, erwies sich im Rückblick für die DDR als uneingeschränkt richtig, manifestierte sich doch in ihr und durch sie die hohe Leistungsfähigkeit des Systems und gab Ansporn für das Engagement der Staatsbürger nicht nur in der Mansfelder Region, sondern auch im gesamten Staatsgebiet der DDR.

    01/2019

    Die 800-Jahr-Feier im Jahre 2000


    Logo der 800-JAHR-FEIER

    Die 800-Jahr-Feier fand nur wenige Jahre nach der endgültigen Stilllegung des Kupferschieferbergbaus statt, die nach der Wende der Jahre 1989/1990 unausweichlich geworden war. Eine hohe Arbeitslosigkeit und eine immer stärker werdende Betroffenheit und Mutlosigkeit, weil Ersatzarbeitsplätze nicht bzw. in nur unzureichendem Umfang geschaffen werden konnten, war die Folge. Das warf natürlich die Frage auf, ob ein derartiges Jubiläum, das im eigentlichen Sinne zumindest für den Bergbau keine Grundlage mehr besaß, überhaupt begangen werden sollte, ja durfte. Es wurde allerdings zu keiner Zeit ernsthaft erwogen, die Feierlichkeiten ausfallen zu lassen, da letztlich doch zu gewichtige Gründe für eine Durchführung der 800-Jahr-Feier sprachen.

    Als eher nebensächlich ist die Begründung zu bewerten, dass das erste Kupfererz durchaus schon 1190 oder noch früher gefunden worden sein kann, denn Cyriacus Spangenbergs Zeitangabe beruht letztlich nur auf Vermutungen: Dann hätten bereits die 700- und die 750-Jahr-Feier verspätet stattgefunden und auch die 800-Jahr-Feier wäre nachträglich auszurichten gewesen. Berechtigt und als „richtig" war indessen die Begründung, dass der Kupferschieferbergbau und das Hüttenwesen im Mansfelder Land von Anfang an untrennbar miteinander verbunden gewesen waren, ursprünglich galten sogar die Hütten als die eigentlichen Unternehmen, denen die Schächte zugeordnet waren. Ende des 18. Jahrhunderts kamen die Metallverarbeitung und der Maschinenbau hinzu. Die nach der Wende weiterhin bestehenden Unternehmen der MKM Mansfeld Kupfer und Messing GmbH, Hettstedt, die Aluhett, Hettstedt, und andere Betriebe der Schwerindustrie führten diese Traditionslinien fort und stützten sich dabei auf das in Jahrhunderten erworbene Wissen der Menschen über den Umgang mit Metallen. Die bestehenden Unternehmen konnten sich daher mit aller Berechtigung auf die gesamte achthundertjährige Geschichte des Mansfelder und Sangerhäuser Bergbau- und Hüttenwesens berufen - und tun dies bis heute. Vor allem aber hatten Tausende ehemalige Mitarbeiter des aufgelösten Mansfeld-Kombinats ein Recht auf eine angemessene Würdigung ihrer in ihrem Arbeitsleben erbrachten Leistungen. Und schließlich: Das Montanwesen und die durch seine Arbeitsleistungen geprägte Landschaft waren neben der Persönlichkeit Martin Luthers das einzige Identitäts- und Zusammengehörigkeitssymbol und -merkmal für die Bevölkerung im Mansfelder Land, eine Absage bzw. Nicht-Durchführung der 800 Jahr-Feier hätte für die Mansfelder Region ein negatives Zeichen gesetzt sowie tiefe Enttäuschung und mentale Verunsicherung bis hin zur Depression bedeutet. Eine 800-Jahr-Feier war deshalb angemessen und richtig. Die in den Jahren 1999 und 2000 durchgeführten Veranstaltungen und Publikationen waren deshalb in dem oben genannten Sinne von erheblicher Bedeutung. Diese Feier war die erste, die sich weitestgehend der Geschichte des Montanwesens gewidmet hat. Alle Redner betonten die große Geschichte des Mansfelder Landes, beschworen die Traditionen und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung, riefen dazu auf, aus den Traditionen für die Gegenwart und die Zukunft zu lernen, zogen für einige Zeit Kraft aus der Vergangenheit - und leisteten auch Trauerarbeit für die vermeintlich gute, vielleicht sogar bessere „alte Zeit". Insofern unterschied sich diese 800-Jahr-Feier von den beiden vorher gegangenen ganz erheblich.

    Es gab darüber hinaus aber noch weitere Unterschiede. Der wichtigste, augenfälligste war eine bisweilen an Feste erinnernde fröhliche, fast gelöste Atmosphäre, die im Stadtfest gipfelte, sowie in einer Einbeziehung weiter Teile der Mansfelder Bevölkerung in das Programm als aktiv Handelnde: Hier sollen nur die Schulen erwähnt werden, die sich durch zahlreiche, z. T. selbst gewählte Aktionen an der Feier beteiligt haben. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal lag in der Konzeption, nach der sich die Feierlichkeiten über einen längeren Zeitraum hinzogen, zu ganz unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten des Mansfelder Landes stattfanden und nicht auf einige wenige Tage fixiert waren: Die Eröffnungsfeier, bereits am 5. Dezember 1999 in Hettstedt, die Einweihung des Bergarbeiterdenkmals auf der Eisleber Siebenhitze als offizielles Denkmal für den 800 Jahre andauernden Kupferschieferbergbau, das einige Zeit vor dem offiziellen Festakt der Öffentlichkeit in einem festlichen Rahmen übergeben wurde, sowie die längere Zeit nach den Feierlichkeiten in Eisleben durchgeführten Abschlussfeiern in Sangerhausen mögen hier als Belege angeführt werden. Schließlich fand der offizielle Festakt in der St. Andreaskirche am Eisleber Markt statt - bei den beiden anderen, vorangegangenen Feiern wurden die Kirchen nicht in das Programm der Feierlichkeiten einbezogen - sieht man einmal vom Läuten der Glocken ab. Es verdient aber auch festgehalten zu werden, dass bei keiner Feierlichkeit ein Dankgottesdienst stattgefunden hat - ein bemerkenswertes Detail, das allerdings im „Roten Mansfeld" auch nicht allzu sehr verwundert. Immerhin nutzte man einen Kirchenraum als Ort des Festaktes.

    Die Feierlichkeiten zur Erinnerung an das 800jährige Bestehen des Mansfelder Montanwesens standen unter dem Thema „Tradition" und unter dem Eindruck der nach der Wende veränderten politischen und gesellschaftlichen Konstellationen. Sie waren erstmals in der Geschichte der Feierlichkeiten im Mansfelder Land „demokratisch" konzipiert und ließen der Bevölkerung Raum zu einer freien Entfaltung und Beteiligung. Die Wahl von Johannes Rau als Schirmherren war deshalb eine sehr gute Wahl, und der damalige Bundespräsident verkörperte diese offene, demokratische Geistes- und Lebenshaltung in signifikanter, für alle Teilnehmer sichtbarer Weise. Insofern waren die 800-Jahr-Feierlichkeiten von einem neuen Geist geprägt. Sie mussten es auch sein, denn die Voraussetzungen hatten sich entschieden verändert und erlaubten keine Huldigungen des Montanwesens mehr. Dass die Feierlichkeiten keine Trauerveranstaltung wurden, ist bemerkenswert, belegt aber die Fähigkeit der Mansfelder Bevölkerung, sich neuen Gegebenheiten erfolgreich zu stellen. Das Mittel der Erinnerung an die Vergangenheit und die Besinnung auf die reichen Traditionen war sicherlich ein geeignetes Mittel, die Feierlichkeiten zu einem Erfolg für Alle werden zu lassen.

    01/2019