In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die industrielle Revolution gewaltige Ausmaße annahm und der Bergbau, sowohl auf Kohle als auch Erz, die materielle Basis zu bringen hatte, reichte die Kraft des Bergmannes nicht mehr aus, um die gewaltigen Kohle- und Erzmengen nach über Tage zu fördern. Im Steinkohlebergbau des Ruhrgebietes und des Saarlandes kamen um 1850 die ersten Pferde zum untertägigen Einsatz. Pferde brachten eine Leistungssteigerung in der Förderung bis zu 800 %.
Der Pferdeeinsatz unter Tage im Mansfelder Kupferschieferbergbau erfolgte nach Unterlagen des Historischen Archivs in den Jahren 1864 bis 1942. Denkmale haben die Mansfelder Bergleute für die Grubenpferde nicht gesetzt, sieht man von der eher umstrittenen, 1995 im Wohngebiet "Gerbstedter Straße" in der Lutherstadt Eisleben, errichteten Skulpturengruppe ab. Der Bergmann und Zeichner Franz Schneemann hat im "Nappian und Neuke", Jahrgang 1941, dem letzten Grubenpferd auf dem Vitzthum-Schacht eine Zeichnung gewidmet.
Nach dem Protokoll vom 15. November 1864 wurde zwischen dem "Fuhrunternehmer Herrn Ökonom Ecke zu Hettstedt, und dem Bergmeister Schrader als Vertreter der Mansfeldschen Gewerkschaft" ein Vertrag geschlossen, der den Einsatz von je zwei Pferden im untertägigen Einsatz auf dem 25. Lichtloch (Stockbacher Revier) und dem Zimmermannschacht (Revier 31) vorsah. Der Vertrag beinhaltete im Wesentlichen schon alle Bedingungen für die Vertragspartner, die auch bei später abgeschlossenen Vereinbarungen Berücksichtigung fanden.
Wie zum Beispiel:
Der Fuhrunternehmer stellt die Pferde, welche gesund, kräftig und gutmütig sein müssen. Er stellt das Geschirr, das Futter, das Material zum Beschlagen der Pferde und einen Knecht, der "alle Eigenschaften eines guten Arbeitnehmers" hat.
Der Bergwerksbesitzer schafft ordentliche Bestallungen (mit ausreichender Wetterführung, Frischwasserversorgung und Beleuchtung). Er schafft günstige Arbeitsbedingungen (Streckenmaße, Laufsohle, Wetter, Beleuchtung) und übernimmt kostenlos den Transport des Futters, des Strohs und der Streu sowie die Entsorgung des Pferdemistes. Der Schachtschmied beschlägt kostenlos die Pferde.
Selbstverständlich wurde auch der Preis vereinbart. Häufig wurde er für ein Quartal festgelegt. Die Preisveränderungen ergaben sich überwiegend aus der Veränderung des Haferpreises.
Gegenstand des Vertrages war natürlich auch die Leistung des Gespanns. Diese ergab sich zwangsläufig aus der Anzahl der zu fördernden Last- und Leerwagen sowie aus der Länge der Förderstrecke. Die Bezahlung der Pferde bei Betriebsstörungen war in den Verträgen ebenfalls geregelt. Bei Stillständen bis zu drei Tagen übernahm der Betrieb die Kosten. Bei längeren störungsbedingten Betriebsruhen konnte der Fuhrunternehmer entscheiden, ob die Pferde aus dem Schacht genommen werden oder nicht.
Erste Erkenntnisse der Leistungsfähigkeit der Pferdeförderung ergeben sich aus der Abrechnung des Fuhrunternehmers Ecke über den Einsatz von 4 Pferden auf dem Glückhilf-Schacht.
Dieser Schacht hatte 1877 die Schieferförderung aufgenommen und setzte ab 1879 vier Pferde in einer 800 m langen Förderstrecke ein. In dieser Übersicht (s. Tabelle) wird die durchschnittliche Schichtleistung je Pferd mit 105,2 Wagen angegeben. Aus der angegebenen Länge der Strecke von 800 m und der Nutzlast eines Förderwagens von 550 kg errechnet sich eine Leistung je Pferd und Schicht von 46,3 Nutztonnenkilometer.
In Ruhrgebiet galt als Durchschnittswert eine Leistung von 35,0 bis 50,0 Nutztonnenkilometer. So konnte sich das auf dem Glückhilf-Schacht erzielte Ergebnis durchaus sehen lassen. Diese erzielte Leistung war deshalb auch ausschlaggebend für den weiteren Einsatz von Grubenpferden. Deutlich wird die immer größer werdende Anzahl von Pferden unter Tage aus der Entwicklung auf dem Ernst-Schacht. Mit dem Abteufen 1864 begann im Mansfelder Revier die Ära der Tiefbauschächte und damit auch die der längeren Förderstrecken. So wurden hier
- 1881 18 Pferde
- 1885 38 Pferde
- 1890 65 Pferde
täglich eingesetzt.
Mit der weiteren Steigerung der Kupfererzgewinnung erhöhte sich die Anzahl der Pferde weiter. Im Jahr 1906 waren im Masfelder Revier über 360 Pferde in der untertägigen Förderung im Einsatz. Das Mansfelder Revier war zu diesem Zeitpunkt in vier Berginspektionen aufgeteilt. Die Verteilung der Grubenpferde sah wie folgt aus:
- Berginspektion I 107 Pferde
- Berginspektion II 67 Pferde
- Berginspektion III 85 Pferde
- Berginspektion IV 102 Pferde
- SUMME 361 Pferde
Im Vergleich zu anderen Bergbaurevieren nimmt sich diese Zahl bescheiden aus. Im deutschen Steinkohlebergbau waren um diese Zeit etwa 11.000 Pferde und in England sogar bis 65.000 Pferde täglich unter Tage im Einsatz.
Die zunehmende Zahl der untertage eingesetzten Pferde bedingte natürlich eine entsprechende staatliche Kontrolle. Besonders kontrolliert wurden die Stallungen, die Arbeitsbedingungen und der Gesundheitszustand der Pferde. Für die Kontrollen waren sowohl das Bergamt als auch der Kreistierarzt befugt.
Pferde fielen in der Förderung auch durch Krankheit aus. Die Berginspektion II (Wolfschacht, Hohenthal-Schacht) hatte 1929 rund 50 Pferde im Schacht. Aus einer Aufstellung des Fuhrunternehmers Hörold aus Eisleben über die Krankenschichten seiner Pferde im Oktober 1929 geht hervor, dass in diesem Monat 15 Pferde erkrankten, wobei 2 bis 11 Krankheitstage anfielen. Krankheitsursachen waren häufig Verletzungen durch Anstoß in beengten Strecken, Wundreiben am Geschirr, Hufkrankheiten durch Vernagelungen.
Die weitverbreitete Meinung, dass die Pferde unter Tage nach einiger Zeit erblinden würden, liegt im Bereich der Fabel. Wissenschaftliche Analysen in anderen Bergbaurevieren haben ergeben, dass Pferde auch häufig Augenleiden hatten. Mechanische Erkrankungen, der Temperaturwechsel vom Abbau zum Schacht, der ständige Wetterstrom und Feuchtigkeit führten zu Augentrübungen, aber Blindheit auf beiden Augen soll es nicht gegeben haben.
Anfangs war die Verlustrate durch Tod verhältnismäßig hoch. Eine Statistik vom Ernst-Schacht weist folgende Zahlen aus:
- 1888 bei täglich 53 eingesetzten Pferden 7 Todesfälle
- 1889 bei täglich 55 eingesetzten Pferden 15 Todesfälle
- 1890 bei täglich 61 eingesetzten Pferden 9 Todesfälle
Bedingtdurch den hohen Anschaffungswert wurden die unter Tage eingesetzten Pferde gut gefüttert und gepflegt. Für ein Pferd musste täglich bereitgestellt werden:
- 10 kg Hafer, 3 kg Luzerne - Heu, 3 kg Stroh,
- als Brot verbackenes Melassefutter und
- ca. 20 Liter frisches Wasser.
Das bedeutete hohe Kosten. Insgesamt gesehen teilten sich die Gesamtkosten wie folgt auf:
- Kaufpreis des Pferdes (Abschreibung) 17,7%
- Futterkosten 43,3%
- Löhne für Stallknechte und Pferdetreiber 36,9%
- Geschirr, Hufbeschlag, Arznei 7,1%
Die Pferdeförderung erfolgte zumeist auf söhligen Strecken. Ausnahmen waren untertägige Göpel. Auf dem Zimmermannschacht wurde bis 1886 ein solcher Göpel betrieben (s. Bild).
Man sieht deutlich die senkrecht stehende Welle mit der Seiltrommel und die Deichsel mit Zuggehänge.
Auch wird die Größe des Grubenraumes deutlich (Höhe 3 m, Durchmesser 10 m), denn das Pferd musste ja die Laufrichtung ändern können, je nach- dem ob Lastwagen heraufgezogen oder Leerwagen herabgelassen wurden. Eingesetzt war der Göpel beim Auffahren des Zimmermannschächter Flaches von der 2. bis unterhalb der 3. Sohle in den Jahren 1882 - 1886. Der Pferdegöpel ersetzte 4 Förderleute, die vorher mit einem Handhaspel die Förderung bewältigen mussten.
Mit stärkerer Nutzung der Elektroenergie und dem Einsatz von elektrischen Grubenloks verringerte sich die Anzahl der Grubenpferde wieder. So waren 1930 im Mansfelder Revier noch insgesamt 60 Pferde angelegt und zwar:
- 39 Pferde auf dem Wolfschacht,
- 6 Pferde auf dem Hohenthal-Schacht und
- 15 Pferde auf dem Vitzthumschacht.
Bis 1939 hielt sich diese Zahl etwa konstant. Dann jedoch wurden die Pferde schrittweise aus dem Schacht genommen und der Wehrmacht zugeführt. Das im Archiv vorliegende Kündigungs- schreiben vom 6. Mai 1942 ist wohl der Beleg dafür, dass die Ära der Grubenpferde zu diesem Zeitpunkt im Mansfelder Bergbau zu Ende gegangen war. Über Tage waren Pferde (z.B. auf dem Vitzthumschacht) noch nach 1950 im Einsatz.
Im Ruhrgebiet dagegen hielt der Einsatz von Grubenpferden länger an. 1954 waren es immerhin noch ca. 500 Stück. Das letzte Grubenpferd des Ruhrgebietes mit dem Namen Tobias verließ im Juni 1966 den Schacht "General Blumenthal". Es hatte bis zum letzten Tag auf der 700m-Sohle Kohlenhunte gezogen. Auf dem Anwesen des Steigers Schwarzkopf erhielt es sein Gnadenbrot. 1995 hat das Deutsche Bergbau-Museum Bochum dem letzten Grubenpferd ein Denkmal gesetzt.
Im Schaubergwerk des Museums kann man ihn als originalgetreue Nachbildung bewundern. Wiehernd begrüßt er die Gäste im nachgebildeten Steinkohlenrevier.
03/2022