Mit dem Bau eines Messingwerkes in Hettstedt wurde auch ein Schweres Reversierwalzwerk (auch als Breites Umkehrwalzwerk bezeichnet) am 3. Januar 1910 in Betrieb genommen.
Objektbeschreibung
Am 7. Mai 1907 beschloss der Gewerkentag der „Mansfelder Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft“ die Errichtung eines Messingwerkes neben der Gottesbelohnungshütte in Hettstedt. Der mit der Projektierung beauftragte Ingenieur Ferdinand Bleicher erkannte nach Rücksprache mit der kaiserlichen Werft in Kiel und dem Reichsbahnzentralamt den hohen Bedarf an breiten und dicken Blechen. Deshalb nahm er zusätzlich in seinem Projekt den Bau eines schweren Reversierwalzwerkes auf und beantragte hierfür zusätzliche Mittel von 650.000 Mark, welche von der Deputation der Gewerkschaft bewilligt wurden. Die Erfüllung aller Kundenwünsche erforderte eine Walzballenlänge von 4200 mm um erstmalig in der Welt Bleche über 4.000 mm Breite zu walzen.
Der Antrieb solch schwerer Walzwerke erfolgte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ausschließlich durch Dampfmaschinen. Bleicher entschied sich, entgegen aller Vorurteile, für einen elektrischen Antrieb über Ilgner Umformer. Es gibt in der Welt nur noch wenige solcher voll funktionierenden Anlagen. Das Walzwerk war das breiteste und modernste Walzwerk der Welt in der Buntmetallindustrie. Auf dieser Anlage wurden Bleche bis zu einer Breite von 4.150 mm gewalzt. In der über 100jährigen Geschichte von MKM stand das Breite Umkehrwalzwerk oft im Mittelpunkt des Werkes. So wurden vom 1.07.1948 bis einschließlich 1984 4,5 Mill.t Stahlgrobbleche gewalzt.
Am Walzgerüst und dem elektrischen Antrieb erfolgten keine wesentlichen technischen Veränderungen. In den Großreparaturen 1951 und 1952 (finanzieller Aufwand 1,5 Mill. Mark) wurden u.a. durch den Einbau eines neuen Arbeitsrollganges, Bau neuer Öfen und Erweiterung des Kühlbettes Voraussetzungen zur weiteren Steigerung der Produktion geschaffen. Auch in den folgenden Jahren erfolgten weitere Rekonstruktionsmaßnahmen an den Zusatzeinrichtungen (Öfen, Scheren, Kühlbett ect). Die höchste Bruttowalzleistung wurde 1982 mit 214.000 t erreicht.
Es ist wohl einmalig in der Welt, dass ein Walzwerk für Buntmetalle für das Walzen von Stahl intensiv über Jahrzehnte genutzt wurde. Heute ist das Aggregat noch die einzige betriebsfähige Anlage aus Zeit der Gründung von MKM. In der Abteilung werden für Kunden in der ganzen Welt breite und dicke Bleche, Zuschnitte und Ronden aus allen Buntmetalllegierungen hergestellt. Die große Produktpalette an Legierungen und Abmessungen mit Einzelfertigung bei Erfüllung höchster Qualitätsansprüche sichert die weitere Perspektive dieser Abteilung.
Das Umkehrwalzwerk ist seit 1995 in das Verzeichnis der Kulturdenkmale Teil 1- Baudenkmale des Landes Sachsen- Anhalt eingetragen.
Zahlen und Fakten
Elektrischer Antrieb (Siemens Schuckert Werke Berlin)
- Ilgner Umformer
- Drehstrommotor 10 kV
- Gleichstromgenerator 630 V, 5.200 A
- Schwungrad 4.400 mm, Masse 20 t
Walzenzugmotor (nach Motorcharakteristik vom 30.06.1908)
- Nennmoment 31 mt
- Nennleistung 1.260 kW
- Nenndrehzahl 90 U/min
- Max. Drehzahl 150 U/min
- Abschaltmoment 42 mt
- Abschaltleistung 3.200 kW
Walzwerk (Krupp Gruson Werk Magdeburg)
- Hydraulikanlage (Wasser) zum Heben der Oberwalze
- Übertragung des Drehmomentes vom Walzenzugmotor über Getriebe (3 : 1)
- Kammwalzgerüst und Spindeln zu den Walzen
- Lagerung der Walzen in Gleitlager
- Walzgeschwindigkeit 30-50 m/min
- Max. Anstichhöhe 360 mm Max.
- Blechbreite 4.000 mm
- Größte gewalzte Blechbreite 4.150 mm
- Geringste Blechdicke 10 mm
Walzen
- Durchmesser 1.000 – 1.100 mm
- Gesamtlänge 6.152 mm
- Ballenlänge 4.200 mm
- Masse 35 t
Bis 1948 wurden ausschließlich Buntmetalle (vorwiegend Kupfer und dessen Legierungen) gewalzt. Ein Teil der dicken Kupferbleche wurde zu Feuerbuchsen für den Lokomotivbau bei MKM weiter verarbeitet.
Von 1948 bis einschließlich 1984 wurden Stahlgrobbleche gewalzt. Es wurden überwiegend allgemeine Baustähle gewalzt. Hochlegierte Stähle und legierte Stähle wurden nur in geringen Mengen gefertigt (Hochlegierte ca. 180 t/a und legierte ca. 2.400 t/a).
- Höchste Bruttowalzleistung/Tag 1.121 t am 24.10.1982
- Höchste Bruttowalzleistung/a 214.000 t 1982
Ab 1985 wurden ohne weitere technische Veränderungen fast ausschließlich Buntmetalle gewalzt. Die Walzanlage wurde nur 1 bis 2-schichtig ausgelastet.
In den 90er Jahren erfolgten zahlreiche Investitionen (Öfen, Scheren, Sägen, Schleifmaschinen et.). Hierdurch konnte die Qualität wesentlich verbessert und weitere Kundenwünsche erfüllt werden. An der elektrischen Anlage und dem Walzwerk wurde technisch nichts verändert.
Zeittafel
[115] | Zeitpunkt bzw. von | bis | Ereignis |
03.01.1910 | Das Umkehrwalzwerk nimmt nach Probelauf die Produktion auf. In der Planung war eine Produktion von 1.920 t Feuerbuchs- und Kondensatorplatten vorgesehen. Der kalkulierte Gewinn betrug 545.000 Mark, dies entsprach ca. 1/3 des Gewinnes des neuen Werkes. | ||
1918 | Auch im Umkehrwalzwerk wurde überwiegend für die Rüstungsindustrie, insbesondere für den Bau der Kriegsschiffe sowie den Lokomotivbau produziert. | ||
1941 | Im Umkehrwalzwerk wird aus einem 4.150 mm breiten und 30 mm dicken Blech aus Muntzmetall (schmiedbares Gussmessing) eine Ronde von einem Durchmesser von 4.110 mm gefertigt. | ||
Im Umkehrwalzwerk wird vorwiegend für die Munitionsindustrie (Plattierwerkstoffe Kupfer und Stahl) produziert. | |||
1945 | Nach Kriegsende werden Dinge des täglichen Bedarfs produziert. Im Umkehrwalzwerk werden u. a. aus Platinen Eisenbänder für Pferdewagen gewalzt. Auch für Reparationsaufträge wurde gewalzt. | ||
1948 | 1984 | Es werden überwiegend Stahlgrobbleche gewalzt. | |
1985 | Es werden vorwiegend Buntmetalle gewalzt. | ||
1995 | Durch zahlreiche Investitionen wird die Qualität wesentlich erhöht. | ||
(Letzte Aktualisierung: Januar 2019)
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