2009-1 Das Bergjahr 1908 im Mansfelder Montanrevier
Das Bergjahr 1908 war durch eine Vielzahl von bemerkenswerten wirtschaftlichen, technischen und betrieblichen Ereignissen sowie von wichtigen Personalentscheidungen geprägt, die auch in der zeitlichen Distanz von 100 Jahren für den heutigen Leser interessante und aufschlussreiche Details aufweisen. Anhand der Ergebnisse von Archivrecherchen werden im Artikel von Dr. Stefan König einige dieser Ereignisse und Entscheidungen vorgestellt.
Das Bergjahr 1908 im Mansfelder Montanrevier Ein Jahr ohne Ausbeutezahlung - Die Kuxbesitzer gingen leer aus
Verfasser: Dr. Stefan König
Das Bergjahr 1908 war durch eine Vielzahl von bemerkenswerten wirtschaftlichen, technischen und betrieblichen Ereignissen sowie von wichtigen Personalentscheidungen geprägt, die auch in der zeitlichen Distanz von 100 Jahren für den heutigen Leser interessante und aufschlussreiche Details aufweisen. Anhand der Ergebnisse von Archivrecherchen werden nachfolgend einige dieser Ereignisse und Entscheidungen vorgestellt.
Für das Jahr 1908 wurde keine Ausbeute gezahlt
Von der Deputation (Vorstand) der Gewerkschaft wurde den Besitzern von Kuxen (etwa vergleichbar mit Aktien) der Mansfeldschen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft mitgeteilt, dass auf Grund der ungünstigen wirtschaftlichen Ergebnisse des Jahres 1908 keine Ausbeute für das Bergjahr 1908 gezahlt wird.
Allerdings brauchten die Gewerken keine Zubuße im Rahmen einer Nachschusspflicht zu tätigen, um eventuelle Verluste bzw. Kapitalerfordernisse der Gewerkschaft auszugleichen.
Die Deputation begründet die Nichtzahlung einer Ausbeute durch den verstärkten Fortgang der bereits im Jahr 1907 eingetretenen ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse. So wurde im Jahr 1908 bei Kupfer eine preisbedingte Mindereinnahme gegenüber dem Jahr 1907 von ca. 11,695 Mio. Mark und bei Silber von 1,539 Mio. Mark ausgewiesen.
Aber auch die negativen Auswirkungen des im Jahr 1907 erfolgten Wassereinbruches im Baufeld des Zirkel-Schachtes konnten erst am Ende des Jahres 1908 beseitigt werden. Diese Betriebserschwernisse im Bergbau führten zu einem Produktionsausfall von 1223 t Rohkupfer und von 6,745 t Silber.
Weiterhin traten für die Gewerkschaft hohe finanzielle Aufwendungen durch die Fortführung von zahlreichen zukunftsorientierten Investitionen auf. So wurden insgesamt 7 Mio. Mark für den Ausbau der vier neuen Mansfelder Großschachtanlagen, der Fertigstellung der Kraftwerke auf der Krug- und Kupferkammerhütte, für den Bau des Kupfer- und Messingwerkes in Hettstedt sowie für neue Betriebsanlagen auf den Hütten, in der Kalifabrik Wansleben und auf den Steinkohlenzechen in Westfalen bereitgestellt.
Das Diagramm zeigt, dass auch im folgenden Jahr 1909 keine Ausbeute an die Gewerken gezahlt werden konnte. Allerdings wurden die Gewerken in den darauffolgenden Jahren wieder durch die Zahlung hoher Ausbeuten entschädigt.
Der Ober-Berg- und Hütten-Direktor Schrader geht in den Ruhestand
Am 1. April 1908 trat der Königliche Bergrat Hermann Schrader (1855-1940) gesundheitsbedingt in den Ruhestand. Bei seinem Abschied konnte er, der Vertreter einer bekannten Mansfelder Bergbeamtenfamilie, auf eine fast 25 Jahre währende Tätigkeit in der Gewerkschaft zurückblicken.
Von 1900 bis 1908 leitete er als Ober-Berg- und Hütten-Direktor die Mansfeldsche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft. Anlässlich der 700-Jahrfeier des Mansfelder Bergbaus im Jahre 1900 wurde ihm der Titel „Königlicher Bergrat“ verliehen. In seine Amtszeit fiel u. a. die Aufnahme des Mansfelder Kalibergbaus in Wansleben sowie der Bau der elektrischen Zentrale auf der Krughütte.
Sein Verdienst war es mit, dass 1905 auf dem Hermann-Schacht bei Helfta die erste elektrische Hauptschachtfördermaschine im Mansfelder Raum in Betrieb genommen werden konnte. Damit wurde das Zeitalter der umfassenden Elektrifizierung des Mansfelder Montanwesens eingeleitet.
Die Deputation schlägt den neuen Ober-Berg- und Hütten-Direktor vor
Die Einsetzung eines neuen Ober-Berg- und Hütten-Direktors war in der Satzung der Mansfeldschen Kupferschiefer bauenden Gewerkschaft geregelt. Danach stand der Deputation, dem Vorstand, das Vorschlagsrecht zu. Die Mitglieder der Deputation, Gewerken mit einer bestimmten Anzahl von Kuxen, wurden von der Gewerkenversammlung in diese Funktion gewählt. Im Jahr 1908 bestand die Deputation aus Dr. Dittrich, Dr. Wachler, Prof. Dr. Zirkel, Oberst a. D. Graf Vitzthum von Eckstädt und Dr. Lehmann. Vier dieser Deputierten haben sich durch Namenswidmungen von Schächten in der Mansfelder Montangeschichte verewigt. Einen Lehmann-Schacht sucht man allerdings im Mansfelder Montanrevier vergebens!
Die Deputation verfügte über eine Vielzahl von wichtigen Entscheidungsbefugnissen. Sie stellte z. B. die Höhe der zu verteilenden jährlichen Ausbeute fest und hatte das Recht, Vorschläge zur Anstellung des Ober-Berg- und Hütten-Direktors einzubringen. Allerdings unterlag seine Anstellung sowie die Höhe seiner Besoldung der Beratung und der Beschlussfassung durch die Gewerkenversammlung.
Gemäß Vorschlag der Deputation (siehe Zeitungsausschnitt) wählte sie am 26. Mai 1908 den Bergrat Dr. Vogelsang in dieses Amt, welches er am 1. September 1908 übernahm.
Der neue Ober-Berg- und Hütten-Direktor tritt sein Amt an
Im Gegensatz zu Hermann Schrader, der über einen reichen Erfahrungsschatz über das Mansfelder Montanwesen verfügte, hatte sich der neue Ober-Berg- und Hütten-Direktor Dr. Vogelsang seine Sporen im Kalibergbau verdient, zuletzt als Generaldirektor der Kaligewerkschaft „Glückauf-Sondershausen“. In einer Pressenotiz zu seiner Amtseinführung wurde angeführt, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach „Berührungen“ mit dem Mansfelder Bergbau hatte. Diese zurückhaltende Umschreibung fehlender Erfahrungen im Mansfelder Montanwesen führte in den folgenden Jahren zu einigen ernsthaften Auseinandersetzungen mit erfahrenen Mitarbeitern. Hier sei nur an die Diskussion mit dem Bergwerksdirektor Geipel über die Notwendigkeit des Anschlusses des Wolf-Schachtes an das Streckennetz der Mansfelder Bergwerksbahn erinnert. Letztendlich musste Dr. Vogelsang von seinen Plänen Abstand nehmen, eine Drahtseilbahn zum Transport des Erzes vom Wolf-Schacht zum Hohenthal-Schacht zu bauen.
Die ersten Karbidlampen kommen zum Einsatz
Zum Anfang des Jahres 1908 wurden in der gewerkschaftlichen Berginspektion IV (Burgörner Revier, Niewandt–Schacht) die ersten mit Karbid betriebenen Handlampen der Firma „Friemann & Wolf“ (siehe Abbildung) durch Grubenbeamte getestet.
Im Februar 1908 wurde von den Obersteigern Böttger und Priefler dem Bergwerksdirektor Weißleder über die Ergebnisse beim Einsatz dieser Lampen Bericht erstattet. Hervorgehoben wird die Sauberkeit sowie die Helligkeit dieser Lampen gegenüber den damals noch verwendeten Rüböllampen. Allerdings wurde die Handhabung der zuerst getesteten Lampen auf Grund ihres Gewichtes (ca. 0,950 kg) als sehr unbequem bezeichnet. Speziell bei den Strebbefahrungen war dieses Gewicht sehr hinderlich. Insgesamt wurde eingeschätzt, dass die Vorteile beim Einsatz dieser Lampen gegenüber den Öllampen überwiegen.
Auf Grund dieser ersten guten Erfahrungen wurde ein Lampentyp mit einem geringeren Gewicht (ca. 0,760 kg) getestet. Die positiven Testergebnisse waren Veranlassung, alle Beamten der Berginspektion IV mit Karbid-Handlampen auszurüsten. Bestellt wurden für den Eduard-Schacht 16 Lampen (14 Stahllampen, 2 Messinglampen), 35 Lampen für den Niewandt-Schacht (32 Stahllampen, 3 Messinglampen) und 34 Lampen für den Glückhilf-Schacht (31 Stahllampen, 3 Messinglampen). Während der Preis für eine Lampe in verzinnter Stahlblechausführung bei 5,20 Mark lag, kostete eine Lampe in Messingausführung 6,40 M. Am 27. Mai 1908 wurden diese 85 Lampen von der Firma „Friemann & Wolf Zwickau i. S.“ ausgeliefert.
Angaben zur Einführung der Kopflampen für die übrige Belegschaft sind in den durchgesehenen Akten leider nicht enthalten.
Heinrich Friemann – Ein Unternehmer aus Eisleben gelangte zum Weltruhm und Reichtum
Für viele Leser bestimmt überraschend – Heinrich Friemann (* 11. Juli 1850 in Bochum-Langendreer - † 17. Mai 1898 in Eisleben) der Mitbegründer und Mitinhaber der damals weltweit größten Grubenlampenfirma war ein geschätzter und honoriger Bürger der Stadt Eisleben. Seine Erfolgsgeschichte: Er gründete mit dem Feinmechaniker Carl Heinrich Wolf aus Zwickau-Oberhohndorf im Jahr 1884 die Firma „Friemann & Wolf“. Sie wurde in der DDR-Zeit als VEB Grubenlampenwerk Zwickau weiter geführt. Für viele Generationen von Mansfelder Bergleuten waren die in verschiedensten Ausführungen (z. B. Kopf-, Hand- und Wetterlampen) genutzten Grubenlampen aus Zwickau stets zuverlässige und treue Begleiter bei der gefahrvollen Untertagearbeit.
Den Erfolg seiner unternehmerischen Aktivitäten dokumentierte Heinrich Friemann durch den Bau einer prachtvollen Villa in Eisleben.
Sie war zu DDR-Zeit Sitz der Kreisverwaltung des Ministeriums für Staatssicherheit, sie wird zurzeit zum Verkauf angeboten.
Gerade in unserer heutigen Zeit der wirtschaftlichen Rezession vermittelt der Rückblick auf das Bergjahr 1908 einige bemerkenswerte Schlussfolgerungen. Herauszuheben ist die von der Leitung der Gewerkschaft konsequent durchgesetzte Realisierung der Zukunftsinvestitionen – bei Streichung von Gewinnauszahlungen an die Aktionäre. Dieser Kurs sicherte langfristig das Weiterbestehen des Mansfelder Montanwesens. Das Diagramm der Ausbeutezahlungen verdeutlicht, dass diese Geschäftspolitik die Mansfeldsche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft wieder aus der ungünstigen wirtschaftlichen Lage heraus führte. Allerdings steht auf einem anderen Blatt, in welchem Umfang der Mansfelder Berg- und Hüttenmann davon profitierte.
Abschließend kann darüber informiert werden, dass im Jahr 2009 eine Ausstellung im Mansfeld-Museum Hettstedt über den Einsatz von Zwickauer Grubenlampen im Kupferschieferbergbau und über Heinrich Friemann geplant ist.
3/2009