Die alten Eisleber Hütten und ihre Brennstoffversorgung


Es ist kaum bekannt, dass erfolgreiche Versuche Koks zum Verhütten von Erzen einzusetzen, vermutlich weltweit zum ersten Mal um 1584 im Mansfelder Bergrevier unternommen worden sind. Dr. Eisenächer hat zu dieser Problematik 1995 auf einem Kolloquium anlässlich der ersten urkundlichen Erwähnung Eislebens am 23. November 994 einen Vortrag gehalten, dessen Inhalt hier wiedergegeben ist.


Verfasser des Beitrages "Die alten Eisleber Hütten und ihre Brennstoffversorgung" ist Dr. Dipl.-Ing. Wolfgang Eisenächer

 

In wesentlich stärkerem Maße als in anderen Bergbaurevieren, deren Erze In der Regel aufbereitbar waren und die daher nur relativ geringe Quantitäten Konzentrate der Verhüttung vorlaufen ließen, hat die Brennstoffversorgung der Armerze verarbeitenden Mansfelder Hütten produktionsentscheidenden Stellenwert. Die um 1525/30 jährlich erzeugten ca. 52 000 Zentner Kupfer benötigten außer dem Holz 46.000 t Holzkohle 64 000 Fuhren wofür 10 km2 Hochwald abzuholzen waren. Erzeugung und Bereitstellung der Kohle sind bewundernswerte organisatorische Leistungen. Für den Kupferschieferbergbau arbeiteten fast ebenso viel Holzfäller Köhler und Fuhrleute wie Bergleute.

Der Kohlebedarf lag um 1570 schon über ein Jahrhundert lang In ähnlicher Größenordnung. Die immer schwieriger beschaffbare Kohlemasse bestimmte die Höhe der Kupfererzeugung, die schon ab 1560 nicht mehr auf der vormaligen Höhe gehalten werden konnte. Kohle wurde schon aus bis 100 km Entfernung bezogen, aus Wernigerode Ellrich und Bleicherode. Solche Kohle kostete frei Hütte das 5-fache des Erzeugungspreises. Unter diesen Gegebenheiten stand die Frage der Nutzung fossiler Brennstoffe auf der Tagesordnung.

Kohle und Torf waren als Brennstoff zwar bekannt und vereinzelt aus Hausbrand genutzt, gewerbliche Nutzungsversuche zum Salzsieden, Kalkbrennen, Malzdarren jedoch schnell gescheitert, weil die gebräuchlichen Feuerungen den unterschiedlichen Brenneigenschaften von Holz bzw. Holzkohle und fossilen Brennstoffen nicht entsprachen. Dass jedoch am Problem gearbeitet wurde, offenbarte sich schlagartig mit der Erteilung eines Patentes am 5. Mai 1584 „den Steinkohlen ihren Gestank und ihre Wildigkeit zu nehmen und sie zum Salzsieden und zum Erzschmelzen geeignet zu machen“.

Dieses Patent steht in engstem Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Wettiner Steinkohlebergbaues. Man hatte erkannt, dass sich Kohle ebenso wie Holz in Schachtöfen nicht unmittelbar verwenden ließ, weil die endothermen Vergasungsreaktionen “das Feuer verzehrten“, Wie schon seit Vorzeiten für Holz gebräuchlich suchte man durch Meilern auch der Kohle, diesem Mangel abzuhelfen. Man griff ein hohes Ziel, denn die Wettiner Grobkohle war alles andere als verkokungsfreundlich; es wurden damals höchstwahrscheinlich nur gering verklebte Stücken entgaster Kohle erzeugt. Schon vier Wochen nach der Patenterteilung, am 6. Juni, gelang der erste Schmelzversuch, der 13 Schichten, 6,5 Tage gedauert haben soll. Da die normale Reisezeit der Öfen nur eine Woche betrug, muss der Versuch als gelungen bezeichnet werden. Das war die Weltpremiere des Kokses, lange bevor in England Dudly seinen Koks nutzte, und sie fand hier vor den Toren der Stadt (Eisleben) - in der Mittelhütte - statt, es wird Zeit, dies einmal In aller Deutlichkeit auszusprechen; wir haben an Publicity nicht allzu viel zu verschenken. Leider sind die überkommenen Versuchsberichte unvollständig und nicht eindeutig zuordenbar. Von einem Versuch aus dem Jahr 1584, wahrscheinlich nicht dem ersten, ist bekannt, dass bei normalem Verbrauch und durchschnittlicher Schmelzleistung 65% des Brennstoffes aus Koks, 35% aus Holzkohle, die zum Stützfeuer diente, bestanden hat und die Reisezeit nur 4 Tage dauerte.

Wie aus den Versuchen nach 1790 bekannt ist, wurde die sehr zähe Koksasche nur äußerst langsam von der ebenfalls zähen Schieferschlacke aufgelöst, so dass sie sich im Tiegel staute, Ansätze und reiche Schlacke bildete; das wird auch 1584 aufgetreten sein. Lösungsvorschläge hierfür sind erarbeitet und auch erprobt worden: 1605 wird In einer 9-täglgen Kampagne ausschließlich Koks verwandt. Der Grund für die Nichteinführung des Kokses ist eindeutig eine Kostenfrage gewesen, wenn auch objektive und subjektive Schwierigkeiten, diffizil gewertet, dazu maßgeblich beigetragen haben. Mit 30 km Fuhrweg über sehr schlechte Wege und der Überquerung der Saale verursachte der Koks nahezu gleiche Transportkosten wie die brennwertadäquate Holzkohlemasse aus 45 km Entfernung. Er war aber auf der Grube wesentlich teurer als die Holzkohle in den Wäldern, zumal der spezifische Verbrauch an Koks 10 – 15 % über dem der Holzkohle lag. Nur die allerteuerste Kohle war vorteilhaft durch Koks zu ersetzen. Erklärlich sind die über 20 Jahre hinweg fortgesetzten Versuche nur damit, dass man die brennstofftechnischen Vorteile des Kokses ahnte, deren Nutzung jedoch erst In der Zeit nach 1840 gelingen sollte.

Technisch war am Ende des 16. Jahrhunderts das Problem „Koks" gelöst, entgegen den in neueren Publikationen vertretenen Ansichten, die das Ereignis mehr als Kuriosum erscheinen lassen. Sie beruhen auf einer nicht tiefgründigen „Wiederinterpretation" aus den 30er Jahren dieses Jahrhunderts und werden der Bedeutung des Geschehens nicht gerecht. Obzwar nach dem Dreißigjährigen Krieg die Holzkohle In Mansfeld extrem billig war und bis zur Mitte des 18. Jh. blieb, Ist doch die Koksanwendung des Öfteren angeregt und erprobt wurden. Auch in anderen Revieren, so beispielsweise in Freiberg, versuchte man die Nutzung fossiler Energieträger. Noch 1760 gelang nicht einmal die Herstellung von Koks oder die Verwendung von Steinkohle oder Torf zum Erzrösten oder Bleitreiben.

Im Zuge der außerordentlichen Steigerung der Verbraucherpreise, darunter auch der Holzkohle- und Transportpreise, und durch einen gleichlaufenden Verfall des Kupferpreises ab 1780 griff die preußische Kupferhütte zu Rothenburg in der Saale das Schmelzen mit Koks wieder auf. Gegenüber den Mansfelder und Eisleber Hütten hatte sie wegen längerer Anfuhrwege höhere Holzkohlepreise, der Wettiner Koks aber erhebliche Frachtvorteile. Versuche begannen 1767, und ab 1789 wurde regelmäßig mit Koks geschmolzen mit Ergebnissen und Parametern, die schon Im 16. Jahrhundert erreicht worden waren. Ein gewisser Anteil Holzkohle als Stützfeuer war zwar nicht mehr erforderlich, preislich konnte jedoch noch immer die billigste Kohle mit dem Koks konkurrieren, weshalb sie nicht gänzlich aus der Hütte verschwand.

1791 begannen auch die Mansfeld/Eisleber Hütten Schmelzversuche mit Koka aus Wettin. Obwohl sie auf die Rothenburger Erfahrungen zurückgreifen konnten, verzögerten Rückschläge die reguläre Anwendung des Kokses bis Ende 1794. Dann aber, vor genau 200 Jahren, lange vor den anderen mitteldeutschen Bergrevieren, begann im Mansfelder Bergbau mit der Koksverwendung die Neuzeit. Die anfänglichen Schwierigkeiten waren denen des 16 Jahrhunderts ähnlich und ermöglichen deren Beurteilung. Wegen gegenüber Rothenburg billigerer Holzkohle, aber teurerem Koks und infolge der zäheren Schlacke der Eisleber Hütten blieb der Anteil des Kokses im Gesamtbrennstoffverbrauch jedoch gering, Nur etwa ein Drittel aller Kampagnen verwandten Koks neben 10 – 40 % Restanteil Holzkohle.

Erst nach Einführung von Kolbengebläsen anstelle der Blasebälge, womit Wind höherer Pressung verfügbar war und Öfen mit mehr als 3 m Schachthöhe sich betreiben ließen, zeigten sich die Vorteile des Kokses: Die hohe Druck- und Abriebfestigkeit und niedrigere Reaktivität gegenüber der Holzkohle wurden erkenn- und nutzbar, sie ermöglichten erst das Betreiben hoher Öfen. Die Holzkohle verschwindet Innerhalb kürzester Frist als Schachtofenbrennstoff aus den Hütten, der Brennstoffaufgang sinkt von über 30 auf 25 % des Möllergewichtes, obwohl der damalige Koks nach den Maßstäben des 20. Jahrhunderts diese Bezeichnung kaum verdienen dürfte.

Nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts trat dann ein weiterer Vorteil des Kokses deutlich hervor: Sein Preis war nicht abhängig von der verbrauchten Menge, er ließ sich von einer gegebenen Quelle in beliebiger Menge beziehen, was für Holzkohle nicht galt. Damit war der Steigerung der Erzförderung eine Grenze genommen, und sie setzte dann auch mit Zuwachsraten bis zu 10% jährlich ein, begleitet vom Bestreben, die Brennstoffversorgung der Mansfelder Hütten quantitativ und qualitativ dauerhaft sicherzustellen durch Erwerb eigener Steinkohlefelder und Kokereien. In ihnen wurde seit Beginn dieses Jahrhunderts ein auf die Belange des Mansfeld-Prozesses zugeschnittener Koks äußerst geringer Reaktivität erzeugt, mit dem Brennstoffaufgänge von unter 15 % erreicht worden sind. Mit diesem Mansfeld-Koks der Zeche Sachsen bei Hamm, wegen seiner Festigkeit und Reaktionsträgheit selbst in Gießereien nur bedingt brauchbar, erreichte ein vor 410 Jahren begonnenes und vor 200 Jahren erste wirtschaftliche Erfolge ausweisendes Kapitel heimischer Industrie- und Kulturgeschichte mit die eigenen Grenzen überschreitender Relevanz Höhepunkt und Abschluss zugleich, noch ehe 1930 der Verfall der Metallpreise die Einstellung auch des Kupferschieferbergbaus aktuell werden ließ, was strategische und soziale Aspekte jedoch noch 60 Jahre hinauszögerten, währenddem politische Ereignisse die Bindung zwischen Kupferschiefer und seinem Koks zerrissen.

 

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