210 Jahre W-Schacht Wimmelburg

 


In  diesem Beitrag berichtet Kam. Klaus Foth  über die Geschichte des W-Schachtes in Wimmelburg


 

Aus den Mitteilungen des Vereins - Autor: Klaus Foth (Mitteilung Nr. 173 - 5/2021)

 

 

210 Jahre W-Schacht Wimmelburg

von Klaus Foth

Der W-Schacht zählt zu den bekanntesten Schächten im Mansfelder Revier. Die Wimmelburger bezeichnen diesen Schacht als Maschinenschacht, in alten Unterlagenlagen wird er Dampfmaschinenschacht genannt und in älteren Messtischblättern stößt man auf den Namen „Neue Kunst“. Er war auch der Namensgeber für die Maschinenstraße, an deren südlichen Ende die Schachtanlage steht.

Eigentlich begeht der Schacht im September dieses Jahres zwei Jubiläen, die einer Erinnerung wert sind.

Am 17. September 1811 wurde mit dem Teufen des in alphabetischer Ordnung bezeichneten Schachtes W des Schafbreiter Reviers begonnen und am 7. September 1866 wurde er auf Beschluss der Ober- Berg- und Hüttendirektion Wasserversorger der Stadt Eisleben. Mit dem Teufen und der Inbetriebnahme dieses Schachtes wurde eine Reihe von Versuchen zur Wasserhebung im Schafbreiter Revier abgeschlossen. Die Kunst im Aa-Schacht war wegen ungenügender Aufschlagwasser gescheitert und die Wasserkunst im benachbarten T-Schacht hatte ihre Kapazitätsgrenze erreicht.

Die guten Erfahrungen mit der Dampfmaschine auf dem König-Friedrich-Schacht bei Hettstedt bewogen die Verantwortlichen der Mansfeldschen Kup-ferschieferbauenden Gewerkschaft (MKG) hier die dritte Dampfmaschine zur Wasserhebung zu errichten. Es war gleichzeitig die erste in der sächsischen Bergverwaltung. Die Maschine lief von 1815 bis 1885 mit großem Erfolg. 1814 wurde mit dem Einbau der Wattschen Dampfmaschine von Gottlob Grund und William Richards begonnen. Sie gehörte nach ihrer Stilllegung zum Gründungsbestand des Deutschen Museums München (Abb.1) Diese Dampfmaschine ist als „Schaafbreiter Dampfmaschine“ (auf Revier VIII) in die Technikgeschichte eingegangen.

Abb. 1, Wimmelburger Dampfmaschine in der Halle Kraftmaschinen.
Foto Bildstelle Deutsches Museum München, Lichtbildnummer 40550


Geteuft wurde der Schacht in den Abmessungen 1,60x5,50 Meter. Anfangs wurde die Schachtröhre mit Bohlenzimmerung und später mit einer Ausmauerung aus Siebigeröder Sandstein gesichert. Ständig zufließendes Wasser erschwerte das Teufen nicht unerheblich. Unter Zuhilfenahme der Pumptechnik des benachbarten T-Schachtes gelang es aber den Schacht in die Tiefe zu bringen. Trotzdem konnte man einige Male nicht verhindern, dass das Wasser in der Schachtröhre anstieg. 1815 erreichte man den Kupferschiefer und die Teufarbeiten wurden eingestellt. Durch den Einbau der schon erwähnten dritten Dampfmaschine zum Antreiben der Pumpen gelang ein großer Aufschwung im Revier. Mit Hilfe des kombinierten Systems der T-Schächter Wasserkunst und der W-Schächter Dampfmaschine gelang es nach und nach, tiefere Strecken zu beginnen. Aber auch der W-Schacht musste nachgeteuft werden, um eine umfassende Erschließung zu ermöglichen. Die Endteufe lag bei 130 Metern.

Tagesanlagen Südseite

Westseite

Durch die enormen Leistungen der Wasserhebeanlagen war es möglich mit dem Abbau schon frühzeitig in Tiefen vorzustoßen, die noch unter dem Niveau des späte-ren Schlüsselstollens lagen. Die Existenz des Erdmann- und des Wassermannschachtes wäre ohne die W-Schächter Pumpe nicht denkbar gewesen.
Seine eigentlich große Zeit hatte der Schacht aber als Wasserversorger für die Stadt Eisleben und neben Wim-melburg auch für die umliegenden Ortschaften. Die MKG musste sich für die Wasserversorgung zuständig fühlen, da es nun mal in der Natur der Sache lag, der Bergbau war vielerorts für das Versiegen der Brunnen ver-antwortlich. Am stärksten war die hochgelegene Gemeinde Wolferode betroffen. In langen und heißen Sommermonaten gab oftmals nur die sogenannte Brannteweinpumpe in der Wimmelburger Straße noch spärlich Wasser her, so dass der Gemeindediener die Verteilung des Wassers überwachte, oft genug sogar der Gemeindevorsteher persönlich. Für die Wolferöder war der 1913/14 gebaute Sammelbehälter auf dem Windmühlenberg ein Segen, der das Dorf im natürlichen Gefälle mit Wasser versorgte.

Als erstes wurden die beiden Hochbehälter auf der T-Schächter Halde gebaut, die zusammen ein Fassungsvermögen von ca. 250 m³ hatten. Sie versorgten im natürlichen Gefälle die eigenen Dampfmaschinen, Wimmelburg, zeitweise die Werksanlagen der Krughütte und Zentrale Krughütte sowie den Wasserbehälter auf Stahlshüttenhof, von dem die Stadt Eisleben mit Wasser versorgt wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann die Besied-ung der höher gelegenen Stadtfluren. Dieselben konnten aber von dem alten Behälter nicht versorgt werden, es sei denn, man hätte eine Pumpe installiert. Das hätte sich nicht gelohnt, denn der Behälter fasste gerade mal 500 m³ und war damit einfach zu klein. Aus diesem Grunde errichtete man auf dem Friedrichsberg eine neue Anlage, die 1.000 m³ fasste und im Oktober 1883 in Betrieb genommen wurde. Auch ihre Befüllung erfolgte vom W-Schacht mit einer der Kreiselpumpen der W-Schächter Tagesanlagen. Nun konnten alle Stadtteile mit Wasser versorgt werden.

Abb. 2 Abb. 2

Dann kam gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Zeit der großen Wassereinbrüche in den Schächten des Schafbreiter Reviers. Deren Sümpfung zwang zum Aufstellen größerer Dampfkesselanlagen. Für die MKG hatte diese Situation verständlicherweise Vorrang. Als sich die Lage wieder normalisiert hatte, der Verursacher, der Salzige See wurde ausgepumpt, kümmerte man sich wieder um die Versorgung der umliegenden Gemeinden. Zunächst kam, wie schon erwähnt, Wolferode an die Reihe. Vom Windmühlenberg verlängerte man die Leitung bis nach Bischofrode, wo man im gleichen Zeitraum einen 22,5 m hohen Wasserturm baute (Abb. 2). Der Wasserkasten wurde in 15 m Höhe montiert und hatte wiederum eine Höhe von 4,2 m und ein Fassungsvermögen von 75 m³.

Gefüllt wurden beide nach folgendem Prinzip. Zuerst erfolgte die Befüllung des Wolferöder Behälters. War dieser voll, sperrte ein Selbstschlussventil den weiteren Zulauf und die Pumpe drückte das Wasser in den Bischofröder Turm. War derselbe auch gefüllt, ertönte im Maschinenraum des W-Schachtes ein Signal und die Pumpe wurde abgeschaltet.
Aus dem Sammelbehälter auf dem Windmühlenberg zweigte eine zweite Rohrleitung nach einem auf der Halde des Hoffnungsschachtes in Neckendorf stehenden Wasserturm ab. Aus diesem wurden die wenigen Haushalte in Neckendorf, die Gemeinden Helfta, Unterrißdorf und Wormsleben sowie die Schachtanlagen Hermann und Dittrich versorgt. Zu erwähnen wäre hier noch, dass die Helftaer zunächst zögerlich waren und auch Bedingungen stellten bevor sie sich entschlossen, diese Möglichkeit mit Wasser versorgt zu werden zu nutzen. Das Eisleber Tageblatt vom 13. Oktober 1913 berichtete darüber:


In einer Versammlung des Helftaer Hausbesitzervereins, die am Sonntag dem 12.10. stattfand, wurde beschlossen, der Gewerkschaft zu erklären, daß die Gemeinde bereit sei, 15 Pfennig für den cbm Wasser zu zahlen, daß dafür aber die Gewerkschaft bereit sein muß, den gesamten Bau der Rohrleitung zu übernehmen.

Offenbar ist man sich schnell einig geworden.

Wormsleben als Endpunkt dieser Wasserversorgungsstrecke hatte noch ein eigenes kleines Wasserbecken erhalten, das Häuschen steht heute noch auf halber Höhe des alten Kommunikationsweges von Wormsleben nach Hedersleben. Dadurch konnte eine ungestörte Wasserversorgung für Wormsleben im natürlichen Gefälle gewährleistet werden.
Eine dritte W-Schächter Pumpe diente dazu, bei einem größeren Wasserverbrauch Eislebens die Zuführung zum Behälter Stahlshüttenhof zu beschleunigen. Das war auch vonnöten. 1866 hob man für Eisleben 5 c-Fuß (155 l) Wasser pro Minute bei täglich 12-stündigem Betrieb zu Tage. 1869 stellte man der Stadt monatlich 3.400 m³ zur Verfügung und im Juli 1892 waren es schon 11.300m³ Wasser.

Der gesamte Höhenunterschied, welchen die Maschinenanlage des W-Schachtes zu bewältigen hatte, um das Wasser aus dem Pumpensumpf bis zum Bischofröder Wasserturm zu befördern, betrug etwa 260 Meter. Für diese Zeit war das Projekt eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Damit war der W-Schacht in Bezug auf Wasserversorgung die am meisten beanspruchte Hebestelle. Außer Betrieb als Wasserversorger ging der Schacht erst um 1992.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Abgabe der Dampfmaschine nach München am 5. Februar 1905 erfolgte. An diesem Tage wurde sie auf dem Bahnhof Eisleben verladen.


„Die in einem vorzüglichen Zustand befindlichen bergmännischen Bauwerke wie Glückauf- und Froschmühlenstolln, die ersten Sohlen (Gezeugstrecken) und Fäuleorte sowie der uralte Abbau lassen erkennen, dass sich mit dem W-Schacht ein Berg- und Naturdenkmal von besonderer Schönheit und Faszination erhält. Übertage beeindruckt die alte Schacht-gebäudearchitektur sowie die Fördermaschine“ schrieb Jankowski 1994 in einem Aufsatz.


Dr. G. Jankowski (*19.10.1934; †17.07.2018) war einer der bekanntesten Bergbauexperten im Mansfelder Revier. Für Empörung sorgte zu Beginn des Jahres 2017 das Vorhaben der LMBV, diesen Schacht zu schließen. Zum einen ist es nahezu die einzige Schachtanlage in der Mansfelder Mulde, in der man historischen Bergbau noch im Original sehen kann (z.B. die Bobinenfördermaschine) und zum anderen hat man von dem Schacht aus noch Zugang zu den Wimmelburger Schlotten, in denen die Gesteinsauflösung keinesfalls abgeschlossen ist. Hinweise sind zahlreiche Erdfälle im unmittelbaren Bereich der Schlotten. Eine Schließung wäre also auch ein Sicherheitsrisiko für Wimmelburg und Wimmelburger.


„Ohne die Pferde scheu machen zu wollen, muss man feststellen, dass die Karsthohlräume im Bereich der Ortschaft Wimmelburg heute zwar standsicher erscheinen, aber langfristig immer wieder Überraschungen in Form von Geländeveränderungen an der Tagesoberfläche möglich sind. Daraus ergibt sich zwangsläufig, und das ist ein sehr wichtiger Grund, die Notwendigkeit, diesen Höhlenkomplex nicht nur von der Tagesoberfläche her unter Kontrolle zu halten sondern auch die Möglichkeit zu erhalten, die Hohlräume direkt zu beobachten“, schrieb unser Vereinskamerad, der Geologe Martin Spilker, der sich mit den Befindlichkeiten des Karstes bestens auskennt, in Mitteilung 3/2017 mahnend. Zurzeit herrscht zwar Ruhe, aber man kann nie sicher sein, ob die Lausitzer sich nicht schon zum nächsten Angriff rüsten.

Kulturhistorisch wertvoll machen den Schacht, wie im Text schon erwähnt, die Kalkschlotten. In die Montangeschichte sind sie eingegangen als die „Wimmelburger Schlotten“.
Bis zum Jahre 1799 wusste man wenig von der Existenz einer solchen Höhle. Alte Bergleute kannten zwar zu dieser Zeit schon eine ganze Reihe solch merkwürdiger Höhlen und Erdfälle innerhalb der Ortslage und diese ließen eine große Höhle schon vermuten, aber dabei blieb es bis zum oben genannten Jahre. Man entdeckte sie schließlich beim Anlegen des Schachtes T nördlich der heutigen Siedlung Dorfbreite. Den südlichen Teil der Schlotte entdeckte man beim Teufen des Schachtes V in unmittelbarer Nähe der B 80. Man fand damit jenes gewaltige Labyrinth, welches den südlichen Teil der Schlotte bildet.

Bergkommissionsrat Johann Carl Freiesleben (*14.06.1774; †20.03.1846), der zu dieser Zeit nach Eisleben kam, beschäftigte sich dann intensiv mit dieser Schlotte und Marscheider Anton Erdmann (*01.02.1782; †29.12.1848) verfertigte um 1808 eine erste Kartie-rung von ihr. Schnell stand fest, dass sie die bis dahin bekanntesten Höhlen Deutschlands (Baumanns- und Bielshöhle im Harz sowie die beiden Scharzfelder Höhlen bei Göttingen, ebenso die Gailenreuter und Muggendorfer Höhlen in Franken) an Ausdehnung weit übertraf.

Abb. 3

Abb. 3 etwaige Lage der Schlotten unter dem Dorf
 

[…] Unter mehreren durch den Mansfeldischen Bergbau aufgeschlossenen Höhlenzügen, ist bei weitem der ansehnlichste der bei Wimmelburg im sogenannten Schaafbreiter Revier. […]

berichtete einst Berghauptmann Franz von Veltheim (*10.11.1785; †31.12.1839) über sie.

Der bekannte Harzer Höhlenforscher Dr. Friedrich Stolberg (*24.11.1892; †02.03.1975) bedauerte in einem Aufsatz über die Mansfelder Schlotten, den er 1942 verfasste, dass diese Höhlengattung stets etwas außerhalb des Gesichtskreises der Höhlenforschung blieb. Als Grund führte er die Tatsache an, dass sämtliche Schlotten innerhalb der Grubenbaue liegen und damit zu keiner Zeit der Allgemeinheit offenstanden und andererseits die Schlotten nach Auflassung der Grubenbaue wieder unzugänglich wurden.

Er trennte die Schlotte nach Befahrung eines Teils derselben in zwei Objekte,-

  • die Schlotte am Schacht W bei Wimmelburg,
  • die Schlotte am Froschmühlenstolln-Querschlag bei Wimmelburg,

allerdings war er sich sicher, dass es sich hierbei um eine einzige Höhle handelte.

Die Befahrungen 1977/78 erbrachten den Beweis, dass es sich um ein zusammenhängendes Höhlensystem handelt. Schon Stolberg war sich sicher, obwohl er die großen Labyrinthe nie befahren hatte, dass die Wimmelburger Schlotten sich zumindest mit der Heimkehle, die ja sein zweites Wohnzimmer war, zu jeder Zeit messen könnten.

Mit der Neuformierung der Höhlenforschung nach 1945 hatten vereinzelte Forscher die Möglichkeit, einige schachtnahe Teile der Wimmelburger Schlotte kennenzulernen.

Allerdings blieb das auf das Kennenlernen beschränkt. Große speläologische (höhlenkundliche) Erkenntnisse waren damit nicht verbunden.
In allen weiteren höhlenkundlichen Arbeiten spielten diese Höhlen keine Rolle, die meisten Höhlenforscher haben darüber nie etwas gelesen, nur wenige kannten Stol-bergs Veröffentlichungen.
1977 erteilte eine Kommission dem Arbeitskreis Höhlen-und Karstforschung beim Kulturbund der DDR den Auftrag, die Schlotte in ingenieursgeologischer Hinsicht zu befahren und geotechnische Daten für einen Standsicherheitsnachweis zu sammeln. In einer Reihe von Befahrungen, die sich über fast zwei Jahre hinzogen, wurden nahezu alle Schlottenteile untersucht. Etwa 60 Höhlenforscher aus verschiedenen Gruppen kamen dabei zum Einsatz. Es wurde vermessen, kartiert, gesteinskundliche Grenzen aufgezeichnet, Proben entnommen etc. Diese Arbeiten dienten der Einschätzung über eventuell zu erwartende Einbrüche. Das Gutachten dieser Mission erstellte der bekannte Geologe Prof. Fritz Reuter (*15.05.1925; †23.04.1994) von der Bergakademie Freiberg.

Die letzte bekannte Befahrung muss um 2009/10 erfolgt sein. Das ging aus einem Vortrag von M. Penzel (Geotechnik Projekt Leipzig) und C. Focke (GVV Sondershausen) beim 4. Wettelröder Montanistischen Kolloquium am 9. Juli 2011 hervor. Die letzte gründliche Befahrung fand allerdings 1977/78 statt. Alle späteren waren wohl eher so etwas wie zeitlich begrenzte Untertage-Safaris.

Quellen:
Werkszeitung Nappian & Neucke, Ausgaben 4/5 1929.
Dr. G. Jankowski ‚W-Schacht in Wimmelburg‘ (Nr. 19 der Artikelreihe), ‚Freiheit‘, 09.08.1986.
Harz-Zeitschrift Jg.46/47, S. 204-208, Aufsatz über W-Schacht von G. Jankowski.
Mitteilung 3/2017 des VMBH ‚Der W-Schacht in Wimmelburg darf nicht aufgegeben werden‘ von M. Spilker.
Christel und Reinhard Völker ‚Mitteilungen des Karstmuseums Heimkehle‘, Heft 13.
Karl-Heinz Ludscheidt ‚Der W-Schacht in Wimmelburg – Wasserversorger der Stadt Eisleben‘, in Beiträge zur Heimatgeschichte (Wimmelburg) H. 11/2015.
Eigene Aufzeichnungen.
10/2021

 

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