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Wie ich ein "guter" Schießmeister wurde


Wie ich ein "guter" Schießmeister wurde
von Martin Latk
2011


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Anfang der 70er Jahre vollzog sich der Übergang der Gradstrebbautechnologie zur vorherrschenden Abbautechnologie auf dem Bernard –Koenen-Schacht.
So wurde auch ich eines Tages in der Nachtschicht auf einen Gradstrebflügel eingeteilt. Es waren Gradstrebe mit der ersten Generation der Abförderausrüstung. Das Haufwerk wurde noch aus dem Streb über eine Haufwerksübergabe direkt in den Förderwagen gefüllt.
Dazu mussten nachfolgend den Streben die Förderstrecken aufgefahren werden. Diese Auffahrung erfolgte durch Vorrichter in der Nachtschicht. Nun sollte ich die Vorrichtung schießen. An sich kein Problem. Es waren in der Regel 6 Loch in der Ortsbrust, unter der sich der freie Raum der Strebfahrt befand, zu laden. Das Streckenprofil war örtlich bedingt etwa 3m x 3m. Auf die unterschiedliche Stärke der Sprengladungen in den Bohrlöchern, wie an Bandbergen, braucht man hier keine Rücksicht nehmen. Ich lud die 6 etwa 2m tiefen Bohrlöcher und zündete. Als Zünder wurden damals noch Zeitschnurzeitzünder verwendet.
In der nachfolgenden Nachtschicht erklärten mir die Vorrichter, das Haufwerk hätte zu sehr als kompakte Halde vor der Strebfahrt gelegen und sie hätten anfangs große Schwierigkeiten beim Schrappen gehabt. Der Schießmeister der vor mir da war hätte immer für eine breite Streuung gesorgt. Ich sagte, ich hätte alles gemacht so gut ich es wüsste, aber ich werde das nächste Mal die Bohrlöcher stärker laden.
Als ich in der nächsten Schicht in den Ort kam unterhielten sich die Vorrichter, so das ich es hören sollte, „ ich wäre wahrscheinlich zu jung und hätte zu wenig Erfahrung usw“. Es wurmte mich mächtig, aber ich meinte, ich tat doch mein Bestes. So änderte ich erstmal die Zündfolge der Bohrlöcher.
Am Schichtende, marschierten die Vorrichter an unserem Vorbereitungsraum vorbei und führten wieder eine laute Unterhaltung mit der Aussage, dass der Schießmeister es doch nicht packt. Jetzt hätte das Haufwerk noch an der Streckenseite gelegen und sie mussten zum Schluss noch viel mit der Schippe in die Schrapperbahn schippen. Mich wurmte die Unterhaltung mächtig. Meine Kollegen sagten kein Wort.
Auf unserem Weg zum Schacht nahm mich ein alter Kollege bei Seite und fragte mich wie ich die Bohrlöcher besetze. Ich erklärte es und drückte mein Unverständnis darüber aus weil ich die Vorrichter nicht zufrieden stellen konnte.
Der alte Kollege sagte, Du bist neu, die Vorrichter kennen dich nicht und trauen es dir nicht zu sagen wie es dein Vorgänger gemacht hat damit das Haufwerk breit gestreut dalag. Erreichen kannst du das indem du eine zusätzliche Ladung unter den Abschlag auf das Liegenden legst und sie mit großen Wacken oder 3 bis 4 Strebstempeln abdeckt und diese Ladung als Letzte in die Zündfolge einbaut. Die Ladung wird dann beim Zünden die Halde des eben gesprengten Haufwerks aufwirbeln und breit streuen. So wollen die Vorrichter es haben. Aber das ist verboten wegen der Versagergefahr.
Es ist deine Verantwortung denn wenn die Ladung nicht zündet weil die Sprengung  eventuell die Zündschnur der liegenden Ladung durchschlägt und diese nicht gezündet wird. Um den Versager zu beseitigen musst du den ganzen Haufen durchwühlen. Erfolgt das nicht, bleibt der Ort stehen. In der Frühschicht kann der Streb nicht belegt werden. Die Folgen für dich weist du.
Hin wie her überlegt, in der nächsten Nachtschicht brachte ich doch die zusätzliche Ladung an. Am Schichtende marschierten die Vorrichter wieder an unserem Raum vorbei und unterhielten sie so dass wir es hören sollten, „Heute hat der Schießmeister gut geschossen, besser kann es keiner machen.“
So ist das manchmal im Berufsleben wenn Vorschriften und Wünsche entgegenstehen.
Zumal wenn die Vorschriftsüberwacher weit weg sind und die Wünschenden jeden Tag sich mit spitzen Bemerkungen äußern und den Ehrgeiz anstacheln.

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