Zur Erinnerung an die Schließung der Großschächte Wolfschacht und Vitzthumschacht

Veröffentlicht in Sonstige Veröffentlichungen des VMBH e.V.


Zur Erinnerung an die Schließung der Großschächte
Wolfschacht und Vitzthumschacht vor 30 bzw. 35 Jahren
    von Dr. Rudolf Mirsch 1997 (Übernommen von der Vereinsseite)


Die Erschließung der tiefsten Feldesteile der Mansfelder Mulde begann Anfang des Jahrhunderts mit den Teufarbeiten des Paulschachtes im August 1900.
Bereits 1906 folgten die beiden Großschächte Wolfschacht und Vitzthumschacht.


Wolfschacht (Fortschrittschacht) 1906 - 1967
Der Wolfschacht sollte der bedeutendste und wichtigste Produktionsschacht der Gewerkschaft werden. Die Abteufarbeiten gestalteten sich, wie bei vielen anderen Schächten im Mansfelder Land, durch Wasser- und Gasaustritte schwierig. Bei 420 m Teufe wurde ein etwa 23 m mächtiges Kaliflöz durchteuft und am 2. Februar 1909 bei 542 m das Kupferschieferflöz angefahren. Mitte des Jahres 1913 waren die Schachteinbauten abgeschlossen, die Abnahme erfolgte am 1. November 1913. Mit etwa 200 Mann Belegschaft wurden Aus- und Vorrichtungsarbeiten begonnen. Die Förderung der Haldenberge erfolgte von der 7. Tiefbausohle. Auf der Halde standen bis 1927 lediglich Kopfwipper zur Verfügung. Das Erz wurde unter Tage zum Hohenthal-Schacht gefördert.
Am 1. Juli 1923 kam auf dem Wolfschacht die nördliche, nunmehr elektrische Fördermaschine in Betrieb, und wenige Tage später wurde mit der Erzförderung begonnen. Die Belegschaft wuchs durch Übernahme von Belegschaftsanteilen des Hohenthal-Schachtes sehr schnell. 1922 betrug die Hauerleistung je Schicht lediglich 0,90 m². Abbauhämmer standen noch nicht zur Verfügung.
Im Jahre 1924 war der Wolfschacht mit etwa 4.000 Mann Belegschaft die bedeutendste Anlage des Reviers. Am 1. Februar 1925 wurde der Wolfschacht nach Stillegung des Hohenthal-Schachtes selbständig. Durch Einführung von Schüttelrutschen, elektrischen Huntehaspeln und Abbauhämmern wurden nun verstärkt Anstrengungen unternommen, die Leistung der Strebbelegschaften zu steigern. Im Jahre 1932 waren die Kameradschaften mit 530 Abbauhämmern ausgerüstet, die Hauerleistung erreichte 1,69 m² / MS. Die abgebaute Flözfläche stieg von 80.950 m² im Jahre 1922 auf 619.700 m². Die Leitung des Wolfschachtes Bemühte sich besonders um einen leistungsfähigen Strebrutschenbetrieb, der sich aber letztlich doch nicht behaupten konnte. Nach 1936 wurden die Rutschen zielstrebig durch elektrische Huntehaspel esetzt.
Hohe Belegschaftszahlen führten dazu, dass Ende 1932 bereits über 90 % der Belegschaft unterhalb der Hauptfördersohle angelegt war. Um der Verringerung der produktiven Arbeitszeit der Produktionsarbeiter zu begegenen, wurde zwischen der 7. und 8. Sohle eine großzügig gestaltete maschinelle Personenförderung mit der auf dem Niveau der 7. Sohle stationär eingebauten Seilbahnmaschine mit einer Leistung von 130 kW und den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen eingerichtet, die ein Novum im Bergbau darstellte. In knapp 2 1/2 Minuten konnten damit 85 Mann vom Niveau des Schachtfüllortes zur 8. Tiefbausohle befördert werden. In den Jahren 1933/34 folgte eine zweite Einrichtung zur Personenfahrung bis zur 9. Sohle. Bei der Produktenförderung wurden zur Bewältigung der ständig zunehmenden Fördermengen über längere Förderwege auf den tieferen Sohlen nur noch Elektroloks eingesetzt. Im Jahre 1935 konnte ddurch der Einsatz von Pferden in der söhligen Förderung von 70 auf 20 verringert und im Jahre 1936 gänzlich vermieden werden.
Nach Ende des II. Weltkrieges musste vom 10. April 1945 bis 3. Juni 1945 für kurze Zeit die Produktion eingestellt werden, aber bereits am 4. Juni 1945 konnten ca. 1.300 Mann wieder anfahren. Große Schwierigkeiten mussten überwunden werden, um die ständig wachsende Belegschaft mit Hilfsmaterial zu versorgen und um die geforderten Förderzahlen zumindest annähernd zu erreichen. Im Jahre 1949 wurde der Wolfschacht in Fortschrittschacht umbenannt. Im Jahre 1951 wurden aus Kameradschaften Brigaden und Gewinnungskollektive. Nach der Einführung der Abbauhämmer zu Beginn der 20er Jahre folgte Anfang der 50er Jahre eine neuerliche verstärkte Orientierung auf die Strebmechanisierung, die eine Einschränkung der körperlich schweren Arbeit und eine weitere Leistungssteigerung beim Strebpersonal bringen sollte. Die Leitung des Fortschrittschachtes orientierte sich auf die Entwicklung der Gradstrebtechnologie, die vom herkömmlichen Bogenstreb abging und gute Voraussetzungen für eine Strebmechanisierung bot. Die Entwicklung stellte alle Beteiligten vor große Probleme, konnte sich aber schließlich nach der Weiterentwicklung des Strebausbaues behaupten.

Am 28. Mai 1953 beschließt der Ministerrat eine Erhöhung der Arbeitsnorm in allen volkseigenen Betrieben um mindestens 10 % bis 30. Juni. Dagegen regte sich auf dem Fortschrittschacht bereits am 4. Juni offener Widerstand. nach den Ereignissen in Berlin am 17. Juni kam es erneut zu Arbeitsniederlegungen. Forderungen wurden aufgestellt und in der Lohnhalle verkündet. Danach formierte sich ein beachtlicher Zug Bergarbeiter und bewegte sich nach Eisleben, um die aufgestellten Forderungen durchzusetzen. Es kam zu Ausschreitungen. Die Ruhe wurde mit Zugeständnissen und staatlicher Gewalt wieder hergestellt.
In der für den Bergbau in der Mansfelder Mulde kritischen Situation, die nach dem Wassereinbruch auf dem Brosowski-Schacht im Jahre 1958 entstanden war, wurden sogenannte "Rote Treffs" organisiert. Jeweils zu Schichtbeginn wurde die Belegschaft in der Lohnhalle über die aktuelle Situation, über Schwerpunkte und vermeintliche Hemmnisse informiert. Kritisch, häufig auch überspannt wurden Mängel und Fehler offengelegt und besonders Leitungskräfte zu Stellung- nahmen aufgefordert.
Der Thälmannschacht war bereits 1962 infolge der Erschöpfung der Vorräte stillgelegt worden. Restfelder, beispielsweise der Pfeiler der Zahnradbahn, wurden in den Abbau einbezogen. Der Brosowskischacht wurde Betriebsteil des Fortschrittschachtes. Inzwischen war die Sangerhäuser Lagerstätte aufgeschlossen.
Am 8. Dezember 1967 wurde die letzte Schicht auf dem Fortschrittschacht verfahren. Die Schachtröhre wurde 1970 mit rund 34.000 m³ Haldengestein verfüllt.
In den 60er Jahren wurden in Werkstätten auf dem Gelände des Fortschrittschachtes u.a. Stahlrohrmöbel und Handbohrmaschinen gefertigt. nach 1990 hat sich erfolgreich das Unternehmen "PROJEKT", die Schul- und Projekteinrichtungen GmbH, Im Hauptgebäude der einstigen Schachtanlage etabliert und wurde ein im In- und Ausland geachteter Produzent.
Im Südteil der Lagerstätte wurde im Juli 1907 mit den Teufarbeiten des späteren Fortschrittschachtes II begonnen. Er war von 1910 bis etwa 1960 in Betrieb. In den letzten Jahren vor der Schließung war er Sitz der Bergbauforschung. In nur geringer Entfernung wurde ab 1913 der Kalischacht "Wachler" geteuft. Für den Transport des Salzes zur Chlorkaliumfabrik und den Transport der Rückstände diente eine Drahtseilbahn.


Vitzthumschacht (Thälmann-Schacht) 1906 - 1962
Fast gleichzeitig mit dem Wolfschacht wurde am 5. Juli 1906 etwa 3 km nördlich der erste Spatenstich und die Taufe des Schachtes "Graf Vitzthumschacht" vollzogen.
Am folgenden Tag begannen vier Drittel mit Hacke, Spaten und Schaufel mit den Abteufarbeiten, die zügig vorankamen. Am 23. September 1909 wurde in einer Teufe von 563 m das Kupferschieferflöz erreicht. Die Teufarbeiten wurden bei 613 m beendet. Leider ereignete sich noch kurz vorher ein Unglück, bei dem 3 Tote zu beklagen waren.
Bis zum Kriegsbeginn im Jahre 1914 wurden Streckenauffahrungen und die Errichtung der Übertageanlagen zügig weitergeführt, dann kamen die Ausrichtungsarbeiten zum Erliegen. Nach dem I. Weltkrieg folgten unruhige Jahre mit Streiks und zeitweiligen Betriebseinstellungen. Zur Erschließung tieferer Feldesteile wurde unmittelbar neben dem Schacht von der 7. Sohle aus ein Blindschacht geteuft, nach erreichen des Niveaus der 9. Sohle der Hauptschacht hochgebrochen, gleichzeitig das Füllort in der 9. Sohle ausgemauert und mit einem Querschlag ins Feld gefahren. Um die Belegschaft des Zirkelschachtes aufnehmen zu können, wurde die Kapazität des Schachtes in den Jahren 1925/26 mit dem Einbau der südlichen Hauptfördermaschine vervollständigt. Ab 1. April fuhr ein großer Teil der Belegschaft des Paulschachtes auf dem Vitzthumschacht an. Im gleichen Jahr wurde zudem die Belegschaft des Zirkelschachtes übernommen und näher an die Abbauorte herangeführt. Noch 1929 arbeiteten etwa 30 Prozent der Strebhauer zumindest zeitweise mit Keilhauen.
In der Weltwirtschaftskriese stand auch der Vitzthumschacht vor großen Problemen. Nach Erschöpfung der Vorräte oberhalb der 7. Sohle wurde 1933 die nördliche Förderungauf die 9. Tiefbausohle verlegt. Damit war der Endausbau des Schachtes im Zentrum der Mansfelder Mulde beendet. Auch ein später bei Burgsdorf geplanter Zentralschacht vornehmlich für die Wetterführung kam nicht mehr zur Ausführung. Die Ausrichtung neuer Feldesteile hatte die 12. Tiefbausohle erreicht und bauwürdiges Feld aufgeschlossen. Um die Belegschaft mit geringsten Zeitverlust an die Arbeitsorte heranführen zu können, wurde 1937 mit der Errichtung einer Zahnradbahnstrecke begonnen, die über eine geneigte Bahn von ca. 1.200 m Länge eine Höhendifferenz von ca. 130 m überbrückte und Produkten- und Personenförderung möglich machte. Es war die erste untertägige Zahnradbahnstrecke dieser Art im Bergbau überhaupt. Später wurde diese Einrichtung bis zur 13. Tiefbausohle verlängert.
Wie der Wolfschacht musste auch der Vitzthumschacht im April 1945 die Produktion für kurze Zeit einstellen. Mitte Mai wurde der Schacht mit etwa 1.000 Mann Belegschaft wieder angefahren. Die Belegschaft kam aus der näheren Umgebung und mit Zügen der Bergwerksbahn aus Hettstedt, Klostermansfeld und Helbra. Der Neubeginn nach Kriegsende war auch hier schwierig. Das Brot reichte trotz der Schwerstarbeiterkarte für das tägliche Schachtfrühstück nicht aus. So wurde eine karge Suppe im Thermobehälter als Halbschichtverpflegung mit in den Schacht genommen. Mit viel Optimismus und Tatendrang wurden in den ersten Nachkriegsjahren beachtliche Leistungen erzielt. Stachanow-Methoden nach sowjetischem Vorbild sollten die Produktion weiter steigern. Auf dem Vitzthumschacht wurde 1948 Friedrich Himpel auserwählt, das Beispiel zu geben. Seine Höchst- leistungen und die auch anderer "Hennecke-Aktivisten", die nach umfangreichen Vorbereitungen der Arbeitsorte vollbracht wurden, waren unrealistisch und verfehlten die Vorbildwirkung.
Mit der Umbenennung der Mansfeldbetriebe in Mansfeld Kombinat Wilhelm Piek am 20. Mai 1951 erhielt der Vitzthumschacht den Namen "Ernst-Thälmann-Schacht".
Die Strebmechanisierung des Thälmannschachtes konzentrierte sich nach 1951 vorrangig auf die Entwicklung der Plattenbandförderung. Während des Aufstandes im Juni 1953 verweigerten auch auf dieser Schachtanlage große Teile der Belegschaft die Einfahrt.
Die durch die Ausrichtung aufgeschlossene bauwürdige Abbaufläche des Thälmannschachtes nahm Ende der 50er Jahre schnell ab. Der Thälmannschacht musste nur aus diesem Grunde am 17.12.1962 die Produktion einstellen. Schutzpfeiler der Zahnradbahn und restliche Abbaufelder wurden vorwiegend vom Fortschrittschacht abgebaut. Die Schachtröhre wurde 1971 mit etwa 43.000 m³ Haldenmaterial verfüllt. Neben der etwa 130 m hohen, das Mansfelder Land prägenden Spitzkegelhalde steht auf einer Vorhalde die noch umstrittene Plastik "Lichtauge". Möge sie der Mansfeld Maschinen- und Anlagenbau GmbH und dem gesamten Mansfelder Land und ihren Menschen in eine sichere Zukunft weisen.

04/2022

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